Ivanhoe
brachen zierlich die Lanze, aber Front-de-Boeuf hatte einen Steigbügel im Kampfe verloren und wurde deshalb für besiegt erklärt.
Im Gange gegen Philipp de Malvoisin traf er den Baron so wuchtig gegen den Helm, daß die Schuppenketten platzten und der Helm herunterflog – nur diesem Umstande hatte es Malvoisin zu verdanken, daß er selbst nicht vom Pferde stürzte. Wie sein Vorgänger wurde auch er für überwunden erklärt.
Im dritten Gange gegen Grant-Mesnil bewies der Enterbte ebensoviel Galanterie wie bisher Mut und Gewandtheit. Grant-Mesnils Pferd war jung und wild und ging mit seinem Reiter durch, der Fremde aber verschmähte den Vorteil, den ihm dieses Mißgeschick seines Gegners bot, und ritt an ihm vorbei, die Lanze senkend, ohne ihn zu berühren. Dann drehte er um und Kehrte auf seinen Platz zurück. Er ließ Grant-Mesnil einen zweiten Kampf anbieten, der aber abgelehnt wurde, denn der Ritter betrachtete sich selber für überwunden, ebensowohl durch die Galanterie wie durch die Tüchtigkeit seines Gegners.
Der Gang mit Ralph de Vipont vervollständigte den Triumph des Enterbten. Vipont wurde mit solcher Wucht zu Boden geworfen, daß ihm das Blut aus Mund und Nase floß und er bewußtlos aus den Schranken getragen wurde.
Als der Prinz und die Marschälle einstimmig erklärten, daß dem Enterbten die Palme des Tages gebühre, brach allseitiger, vielstimmiger Jubel aus. William de Wywil und Stephan de Martival waren die ersten, die dem Sieger ihre Glückwünsche darbrachten. Gleichzeitig ersuchten sie ihn, den Helm zu lösen oder doch wenigstens das Visier hochzuschlagen, um aus den Händen des Prinzen Johann den Preis des Turniers zu empfangen. Mit ritterlichem Anstand schlug der Enterbte dieses Ansuchen ab, er könne jetzt sein Gesicht noch nicht zeigen, aus welchen Gründen, habe er bei seinem Eintritt in die Schranken den Herolden mitgeteilt. Die Marschälle erkannten ohne weiteres seine Weigerung an, denn es war damals ein sehr häufiges Vorkommnis, daß ein Ritter sich selbst wunderliche Gelübde leistete, und in der Regel lautete ein solches Gelübde dahin, eine Zeitlang unbekannt zu bleiben. Die Marschälle drangen daher nicht weiter in den fremden Ritter, sein Geheimnis preiszugeben, sondern zeigten dem Prinzen Johann an, daß sich der Sieger nicht zu erkennen geben wolle und baten seine Hoheit, ihn vortreten zu lassen und ihm den Lohn seiner Tapferkeit zu erteilen.
Der enterbte Ritter trat also an die Treppe heran, die zu dem Throne des Prinzen hinaufführte, und Johann spendete ihm das übliche Lob für seinen Sieg, und der Ritter, ohne ein Wort zu erwidern, verneigte sich tief. Dann wurde das Pferd, das ihm als Preis zufiel, in die Schranken geführt. Es war mit dem kostbarsten Zaumzeug bedeckt, aber der Kenner hätte auch ohnedies den Wert des Tieres richtig geschätzt. Der Enterbte legte die Hand auf den Sattelknauf und schwang sich ohne Bügel auf den Rücken des Arabers. Die Lanze schwingend, führte er es dann zweimal durch die Schranken, alle Vorzüge seines Pferdes und alle seine eigenen Künste als Meister der Reitkunst zeigend. Eine solche Parade mochte als Eitelkeit erscheinen, dies wurde aber dadurch wieder ausgeglichen, daß der Ritter den vollen Wert des Geschenkes zeigte, das ihm vom Prinzen zuteil geworden war, und so lohnte lauter Beifall seinen zierlichen Rundritt. Inzwischen hatte der Prior von Jorlvaux den Prinzen leise daran erinnert, daß der Sieger nun auch seinen guten Gefchmack zu beweisen habe und unter den versammelten Schönheiten die Königin des Liebreizes und der Minne erwählen müsse, die im Turnier des folgenden Tages den Preis austeilen solle.
Als der Ritter zum zweitenmal um die Schranken herumgeritten war, winkte ihm daher der Prinz mit dem Stabe, und sofort drehte der Ritter sein Pferd dem Throne zu, die Lanze zur Erde senkend, bis sie nur einen Fuß hoch vom Boden abstand. So hielt er regungslos, der Befehle des Prinzen harrend. Aller Augen staunten über die Gewandtheit, mit der er das Pferd, das eben noch im vollen Galopp begriffen war, mit einem Ruck zur Bewegungslosigkeit einer Statue brachte.
»Herr Enterbter!« sagte Prinz Johann, »denn das ist der einzige Titel, den wir Euch geben können, Ihr habt nun die Pflicht, die schöne Lady zu ernennen, die dem Feste des kommenden Tages als Königin des Liebreizes und der Minne präsidieren soll. Wenn Ihr ein Fremder in unserem Lande seid und des Urteils eines anderen bedürft, so können wir Euch nur
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