Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen
ist eine üppige Brünette im Dirndl zu sehen, in der Hand hält sie eine Scheibe, auf die zwei Herzen gemalt sind. In denen steckt ein Pfeil. Sie deutet auf die Frau. «Des bin i», sagt sie und streicht mit dem Finger über eine einschusslochartige Delle zwischen den Herzen.
Die nächste Trophäe hockt in der Küche auf einer Eckbank: Ein dicker, halbnackter Kerl mit rundem, von der Sonne verbranntem Bauch schaut so konzentriert Fußball, dass er uns nicht bemerkt. Er trägt die gleiche Frisur wie Walli. In der rechten Hand hält er einen Bierkrug, die linke kräuselt gedankenverloren eine erblasste Strähne.
Die Vermieterin bleibt abrupt stehen, späht um die Ecke und zieht sich mit kleinen Schritten geduckt in den Gang zurück. Dort dreht sie sich kurz um und zwinkert uns zu. Dann holt sie aus ihrem Dekolleté ein daumengroßes, pfeifenartiges Stück Rehgeweih an einer Kette hervor. Sie führt es an die Lippen, holt tief Luft und bläst aus vollen Backen hinein.
Das laute Krächzen einer aufgescheuchten Krähe tönt durch die Wohnung. Der Kerl schreckt hoch und verschüttet sein Bier. «Zefix nomoi», schimpft er.
Die Vermieterin dreht sich um und erklärt stolz: «Mit am Rottumtaler Kombilocker konnst aa an Hasn oder a Anten locka.» Oder den Arni.
Der wischt seinen Bierbauch an der Gardine trocken und kommt auf uns zu. «Die blede Pfeifn», meint er und schaut finster zu seiner Frau hinüber. Dann streckt er uns die Rechte entgegen. Wir können nicht anders, als auf seine krebsrote Wampe starren. «Sonnbank foisch oagschlossa», erklärt er. «Seids ia die neia Nochbarn?»
Roni und ich zucken mit Schultern. Arnis Frau nickt, woraufhin der Gatte verkündet: «Darauf soitn ma oastoßn.»
Vier Wildbacher Magenbitter später sind wir auch mit Frau von Amseln-Burgheim per Du. Sie heißt Walburga, aber wir müssen sie «Walli» nennen.
Noch vier Magenbitter später zeigen uns Walli und Arni ihre Gewehre. Sie geben ein paar Jagdgeschichten zum Besten und schwärmen vom «Bocksfieber», dem Adrenalinstoß, der einen Jäger durchfährt, bevor er abdrückt.
Roni und mich hat hingegen das Wohnfieber gepackt. Eine innere Stimme warnt mich noch, aber sie wird mit jedem Schnaps leiser. Auch wir stehen kurz vor dem Abschuss.
Als wir die letzten Zweifel unter den Tisch getrunken haben, bin ich bereit, ein Tier zu töten und einen Mietvertrag zu unterschreiben. Wir erledigen das Schriftliche und verabreden uns mit Walli und Arni für nächsten Monat, zum Einziehen. Beute erlegt, mein Vater wäre stolz auf mich.
Als wir uns verabschieden, ist Arni auf der Eckbank eingenickt. Walli gibt Roni und mir ein Bussi links und rechts auf die Wangen.
«I bin so froh, dass i aich zwoa gfundn hob», sagt sie. «Die ondan san ois Schlawina gwen. Die hom unsre scheena Steckerln in Keller bringa woin. Do hob i’s nausgschmissn, des Gschwerl.»
Roni wird blass. Ich nicht.
«Wenn du willst, kann ich sie für dich abknallen», lalle ich und drücke Walli zum Abschied ein Bussi auf die Wange, feuchter als die Schnauze eines Jagdhunds.
SAUBER BEIANAND
(hochdeutsch: In guter Verfassung)
Am ersten Juni um acht Uhr morgens stehen unsere Freunde vor der Tür, um Kisten zu schleppen: Ronis stämmiger Cousin Urs, ihre beste Freundin Nunja, deren Freund Jan und mein Ex-Schuhplattler-Lehrer James. Der ist, trotz seiner Vorliebe für kerniges Brauchtum, eher schmächtig gebaut, hat aber im Gegensatz zu meinen anderen Kumpels ein Faible für Innenarchitektur. Nunja hat ihren Fiat Panda mitgebracht, für die «sensiblen Sachen». Also eigentlich für mich. Sie und Jan sind seit zwölf Jahren zusammen und finden Heiraten spießig. «Ohne Ring ist man doch viel freier», hat Nunja mal gesagt. Ronis Trauzeugin will sie trotzdem werden.
Die Umzugshelfer hängen ihre Jacken instinktiv an die Geweihe im Flur. «I mog eia Garderobn», meint Urs. «Die is schee.»
«Die Horn von die Rindviecher haben eine Country-Club-Style», stellt James in seinem unverwechselbaren Pidgin fest. «Some people might call it spießig, I say: That’s Gemutlickkeit!»
«I hob’s zerscht gsogt», belehrt ihn Urs. Er ist Chiemgauer Vizemeister im Rankeln, dem traditionellen bayerischen Ringkampf, und geht keinem Konflikt aus dem Weg. Nicht mal einem Konflikt mit schweren Möbelstücken.
Die Ausnahme bilden mein Schrank und mein Bett. Beide lässt er unbeachtet im Hausflur stehen. Als ich ihn überreden will, den Schrank mit mir hochzutragen, lehnt er ab. «Naa, die
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