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Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Titel: Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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Mühe, hochdeutsch mit mir zu sprechen, obwohl man sein Hochdeutsch kaum von seinem Bairisch unterscheiden kann. Deshalb habe ich gelernt, assoziativ zu denken. Beim Kaffeetrinken nimmt Knoll gern «a Mili» in den Kaffee. Dazu isst er gern «Doadn», nein, keinen Toten. Am liebsten mag er «Zwetschgndatschi», was keine Bezeichnung für einen Ostberliner Pflaumengarten ist. Eine Serviette braucht er nicht. Wenn man ihm eine anbietet, entgegnet er: «Na, danke, i hob an Bart.»
    Knoll stupst mich an und reißt mich aus meinen Gedanken. «Host an Zindheizl?»
    «Nein, ich glaube, das ist eine Gasetagenheizung hier», bemerke ich fachkundig. «Aber frag sicherheitshalber mal Roni.»
    «Die rachd do ned.» Er greift in seine Hemdtasche, zieht eine Packung Marlboro heraus, steckt sich eine zwischen die Lippen, hebt eine Hand vor seine Zigarette und klappt den Daumen hoch und runter. Ich nicke und reiche ihm ein Päckchen Streichhölzer aus der Schublade. Er hält mir die Schachtel hin, ich zögere.
    «Host aufgheat?»
    «Nee», sage ich und nehme mir eine Marlboro. «Ich doch nicht.»
    Knoll hat Ronis Mutter erst vergangenes Jahr geheiratet, im Trachtlerhof von Dumbling. Aber er kennt sich auch mit ausgefalleneren Hochzeitslocations aus. Seine Spezln, erzählt Knoll, hätten in Burgen, auf Schlössern, in Almhütten, Heißluftballons oder Partykellern geheiratet. «Da warns olle scho fast fuchzge», ergänzt er.
    «Vielleicht willst du ja auch in Norddeutschland heiraten?», fragt mich Regina, die gern mal wieder in ihre alte Heimat fahren würde. Doch Knoll weigert sich, Bayern für innerdeutsche Ausflüge zu verlassen. In ferne Länder reist er gern, in andere Bundesländer nicht. Als Regina mal versucht hat, ihn zu einem Mittelaltermarkt im Schwäbischen zu locken, bekam er kurz hinter der Landesgrenze Atemnot und Schüttelfrost – ein Leiden, das bei der Rückkehr nach Bayern auf wundersame Weise verschwand. Trotzdem versucht sie es immer wieder.
    «Deine Eltern fänden es doch bestimmt auch gut, wenn du in Nordrhein-Westfalen feierst, oder?»
    Ich zucke mit den Achseln. Meine Eltern sehe ich nur an Weihnachten. Sie wohnen noch immer in Tiefenwalde, mitten im Teutoburger Wald, zwischen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Dort leiten sie eine Beratungsstelle für «alle Probleme, außer finanziellen», so steht es an der Tür. Die beiden leben so harmonisch miteinander, wie es nur Sozialpädagogen können. Wenn ich sie einmal im Jahr besuche, haben wir genug damit zu tun, uns neu kennenzulernen. Deshalb habe ich ihnen Roni auch noch nicht vorgestellt. Obwohl sie sich bestimmt gut mit ihr verstehen würden. Leute verstehen ist ja ihr Job.
    «Wann lernen wir die eigentlich mal kennen, deine Eltern?», will Regina wissen.
    Ich weiß gar nicht, ob das so eine gute Idee ist. Meine Eltern lieben Klassik, spielen beide Geige, meine Mutter die erste, mein Vater die zweite. Mein Vater besitzt außerdem noch einen Bass und ein paar weitere Streichinstrumente. Knoll dagegen spielt Trompete in der Blasmusik-Kapelle « Die Obrigkeit ». Meine Eltern sind Pädagogen und leben glücklich in einer bis ins Detail ausdiskutierten Beziehung – Knoll und Regina reden höchstens über das Essen. Mein Vater hält sich für ein Sprachgenie; nicht nur, weil er seinen Patienten dumme Ideen ausreden kann. Ab dem dritten Bier glaubt er, jeden deutschen Dialekt zu beherrschen. Wenn Knoll sein Bairisch zu hören bekäme, würde er ihn wahrscheinlich zum «Deifi» jagen.
    Regina ist Köchin in einem bayerischen Gasthaus, meine Mutter liebt Sushi. Meine Eltern haben pausenlos etwas zu tun, musizieren, Leben retten. Seit ich sie kenne, haben sie noch keinen Tag Urlaub gemacht. Knoll ist indessen durch die ganze Welt gereist, und auch Regina nimmt sich ständig für ihre Gartenarbeit frei.
    Was für ein Ehepaar werden Roni und ich wohl werden? Was liegt in der Mitte zwischen den Extremen? Hoffentlich nicht gepflegte Langeweile.
    «Moooment! Erst will ich seine Eltern kennenlernen», drängt Roni sich vor.
    Oje. Jetzt kommt ganz schön was zusammen.
    «Wir können ja irgendwann zu zweit nach Tiefenwalde fahren», sage ich unbestimmt.
    «Nächste Woche würde mir passen», meint Regina.
    «Mhm», sage ich schwach. Eigentlich meinte ich mit «zu zweit» mich und Roni.
    Es heißt ja: Schau dir die Mutter an, dann weißt du, wie die Tochter werden wird. Regina ist in Dumbling für ihre Jugendstil-Porzellansammlung berühmt und auf regionalen

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