Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
und lachte leise, dann schloss er hinter sich die Tür.
Die Kreuzkammer war düster und still und wirkte nun fremdartiger. Er trat in die Raummitte und hielt Sextons Münze hoch. Ein sanftes Kribbeln liebkoste seine Fingerspitzen, und er ließ das Geldstück los. Es fiel nicht herunter, sondern schwebte sachte vor ihm und stieg zu der dunklen Stein decke auf. Mit einem Aufleuchten verschwand die Münze, und der gesichtslose Raum verwandelte sich, als die Decke einem großen Kreis aus Wasser wich. Jack trieb nach oben. Kurz gleißte weißes Licht auf, und dann war er verschwunden.
Als seine Augen sich an die veränderte Helligkeit gewöhnten, sah Jack, dass er in einem Becken mit Wasser stand, das über seine Schuhe plätscherte, aber ansonsten war er völlig trocken geblieben. Er befand sich wieder in der Hauptkam mer, tief unter der St.-Paul’s-Kathedrale. Kurz sah er sich nach anderen Reisenden um, dann lief er die Treppe zur Krypta hinauf. Der Tränentunnel erwartete ihn dort, und er ließ 1 8 0 5 hinter sich.
Die Krypta des Jahres 2008 schoss auf ihn zu, als er aus dem Tränentunnel fiel. Er öffnete die Augen und sah Eloise und Davey, die Jo-Jo bei sich hatten. Alle waren in Sicherheit, und ihm wurde schwindelig vor Erleichterung.
»Jack!« Jo-Jo lachte begeistert, so sehr freute er sich über das Wiedersehen.
»Du lebst!«, rief Davey.
»Und du auch!« Die beiden lächelten und umarmten sich unbeholfen. Was auch immer vielleicht noch zwischen ihnen stand, für den Moment war es vergessen. Davey ächzte, denn er hatte lauter blaue Flecken und Abschürfungen von Roulands Angriff.
»Wo sind die Paladine?«, fragte Jack.
»Keine Ahnung«, antwortete Davey. »Nachdem ihr mit Rouland abgehauen seid, waren sie plötzlich auch weg.«
»Der Grimnar hat sie erledigt«, gab Eloise Auskunft.
Jacks Blick wanderte zu ihr. Sie sah erschöpft aus; ihr blei ches Gesicht war von getrocknetem Blut bedeckt. Davey hatte ihre Brust mit den Ärmeln seines Hemds verbunden, und ihr Schwert glühte sanft, als es ihr die gestohlene Energie zurück gab. Sie sah müde zu Jack nach oben, das Gesicht angespannt. »Rouland?«, fragte sie. »Ich kann ihn nirgends spüren.«
»Unter Kontrolle«, antwortete Jack. »Er ist im Jahr 1 8 0 5 in der Erde begraben.«
»Das wird ihn nicht lange aufhalten.«
»Ich habe ihm das Schwert durchs Herz gestoßen.«
Eloise zog die dunklen Augenbrauen hoch, als sie begriff, dass die Bedrohung durch Rouland vorbei war. Er war unter Kontrolle; das Paladinschwert hatte ihn erstarren lassen. Plötz lich stiegen ihr Tränen in die Augen. Dicke Wassertropfen rollten ihr über die Wangen, als sie sich ein kurzes erschöpftes Lächeln gestattete. Jack betrachtete ihr müdes Gesicht und fragte sich, ob sie sich immer noch wünschte, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Sie sah auf, als hätte sie seine Gedanken gelesen.
»Ich bin schon tot gewesen«, sagte sie. »Nun kann ich wohl eine Weile leben.«
Jack deutete zu seinem jüngeren Ich. »Wie geht es ihm?«
»Er hat anscheinend keinen Schaden genommen«, sagte Eloise. »Er hat irgendeine Energie an sich. Er sorgt dafür, dass es mir wieder gut geht.«
Die Macht der Rose, dachte Jack.
Aus den Schatten kam eine unheimliche Gestalt getreten, zeitlos und uralt. Der Grimnar glitt hinter Davey und winkte wieder mit dem langen Finger, diesmal zu Eloise.
»Ja«, antwortete sie wie auf eine stille Anweisung. Sie sah Jack an. »Er will, dass ich mitkomme. Zusammen mit Davey. Unsere Bestimmung im Jahr 1 940 muss noch zu Ende gespielt werden.«
Jack sah zu dem Grimnar, dessen Gesicht tief in seiner rauchenden Kapuze verborgen war. »Ihr geht zurück ins Jahr 1940? Aber da seid ihr doch längst.«
»Ich bin dort begraben, ja. Aber einem Grimnar widerspricht man nicht. Seinem Schicksal widerspricht man nicht. Ich werde dort gebraucht und Davey ebenfalls.«
Davey schauderte. »Wir gehen zurück ins Jahr 1 940? Mit dem?«
Eloise lächelte warm. »Keine Sorge, Davey, du hast schon Schlimmeres überstanden.«
Jo-Jo kam zu Jack herüber, und sein schmuddeliges Gesicht brach in ein Lächeln aus. »Können wir jetzt nach Hause, Jack?«, fragte er und warf einen ängstlichen Blick zu dem Grimnar hinüber.
»Ja. Ich bringe dich nach Hause«, sagte Jack.
»Und dann?«, fragte Davey.
»Weiß ich noch nicht.«
Davey runzelte die Stirn. »Werden wir uns wiedersehen?«
Jack dachte an seine Begegnungen mit David als altem Mann zurück. Er wusste, dass er seinem Großvater
Weitere Kostenlose Bücher