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Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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ungarisch-, serbisch-, bulgarisch- und deutschstämmige Rumänen wie Vieh zusammengetrieben wurden.
    Zu uns hatten sich ein Rumäne und seine Frau gesellt,ihm fehlte ein Auge, das er im Krieg verloren hatte. Als dekorierter Kriegsveteran hatte er sich in Sicherheit gewähnt, doch seine Vergangenheit als Journalist hatte ihn eingeholt. Da war ein anderer Rumäne, Armeeoffizier und Parteimitglied aus Überzeugung, der gerade seine Verlobte, eine reiche Schwäbin, besucht hatte, als man bei ihnen anklopfte.
    Ein Rumäne aus Bessarabien, der vor allem durch seinen Akzent auffiel, beweinte seine Familie, die er seit 1940, als sie im Krieg auseinandergerissen worden waren, nicht mehr gesehen hatte. Er war ein guter Handwerker, hatte unauffällig gelebt und konnte sich kaum vorstellen, dass bloß seine Herkunft über sein Unglück bestimmt hatte. Sie alle versuchten, sich ihren Zustand zu erklären, nur ich hatte es längst aufgegeben.
    Wir waren seit einer Woche unterwegs, selten hatten wir Gelegenheit, auszusteigen und unsere Notdurft zu verrichten. Meist musste ein Eimer herhalten, der aber, weil die Waggontür seit dem Vortag nicht mehr aufgegangen war, voll war und übel roch. Vater hatte Krämpfe, sein Kopf war rot angelaufen, und es kostete ihn seine letzte Kraft, sich zu beherrschen. Er hatte sich in einer Ecke verkrochen, und als ich nach ihm sah, krümmte er sich mit verzerrtem Gesicht am Boden.
    Ich holte ein Messer, schaute mich fieberhaft um und suchte einen Riss im Holzboden des Waggons, dann machte ich mich an die Arbeit. Nach einer Viertelstunde hatte ich den Riss zu einem Loch vergrößert, das sich gut zur Latrine eignete. Ich half Vater auf die Beine und stützte ihn. Als er die Hose runterlassen wollte und ich die neugierigen oder angewiderten Blicke der anderen bemerkte, flüsterte ich ihm zu: «Warte noch einen Augenblick.»Ich holte eine Decke und spannte sie vor ihm auf, sodass er nun abgeschirmt war. «Jetzt kannst du. Niemand sieht dich.» Vater hockte sich hin.
    Manchmal bekreuzigten sich andere Reisende oder Wartende verstohlen, wenn unser Zug vor ihnen am Bahnhof hielt und sie merkten, welche Ware da mitgeführt wurde. Sie zogen ihre Hüte, doch das Kreuz schlugen sie erst, wenn sie sich vergewissert hatten, dass niemand in der Nähe war, der sie ebenfalls in einen Waggon hätte stoßen können. Mutigere liefen nach Hause und brachten uns Schwarzbrot und Marmelade oder Wasser. Die Soldaten ließen sich schnell überreden und drehten sich kurz weg, just die Zeit, die es brauchte, um uns das Bündel zu überreichen.
    Eines Tages stoppte der Zug so plötzlich und ruckartig, dass wir übereinanderstürzten, und aus einem Schrank fiel Geschirr und zerbrach. «Wenn das kein Glück bringt?», sagte einer, aber niemand kümmerte sich darum. Wir eilten an unsere Gucklöcher, aber es war nichts zu sehen außer einem weiten Sonnenblumenfeld und einem roten Sofa, auf dem ein Mann mit dunkler Brille neben einer Frau saß, deren Füße verformt waren. «Zu uns kommen die nicht», bemerkte jemand. «Aber vielleicht wir zu ihnen», erwiderte ich, der sah, wie sich unserem Waggon Soldaten näherten. Die Tür rollte quietschend auf, und wir hielten uns die Hände vors Gesicht, geblendet durch das helle Licht.
    «Endstation, alle aussteigen!», befahl uns jemand.
    «Sind wir jetzt in Sibirien?», fragte einer.
    «Wenn du in Sibirien wärst, würdest du mich verstehen, du Idiot?», wurde ihm geantwortet. «Ihr habt eine Viertelstunde Zeit, um alles herauszutragen und auf dieKarren zu laden, die auf euch warten. Was dann nicht draußen ist, bleibt drinnen. Wir haben noch zehn Kilometer Fußmarsch vor uns, und ich will vor Einbruch der Dunkelheit zurück sein, also beeilt euch.»
    Wir schafften es in zehn Minuten. Bauern aus der Gegend, die auf uns gewartet hatten, halfen uns dabei. Die Erde war trocken und hart, es hatte seit Langem nicht mehr geregnet, und es gab keine Wolke am Himmel, die Abkühlung versprochen hätte. Myriaden von Mücken schwirrten um uns herum, drangen uns in Augen und Nasen und den Tieren in die Nüstern. «Wenn es dunkel wird, wird es noch schlimmer!», rief uns der Sergeant zu. «Ihr seid nicht in Sibirien, ihr seid noch in Rumänien, aber an einem Ort, den ihr euch bald wünschen werdet, nicht kennengelernt zu haben.»
    Er schritt begleitet von zehn Soldaten durch unsere Reihen, als ob er bei einer Parade wäre. Zehn Soldaten genügten für einige Hundert Leute, so wie ein Landsknecht

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