Jagd auf eine Bestie 1. Teil: Thriller (German Edition)
Augen. »Ich bin in christlichem Glauben erzogen worden, Herr Kriminalrat. Jedes menschliche Leben hat für mich einen hohen Wert, und ich denke, dass jeder ein Stück weit für seine Mitmenschen verantwortlich ist. Leider musste ich feststellen, dass es Leute gibt, die darauf pfeifen, welches Schicksal andere erleiden. Es spielt einfach keine Rolle, ob jemand auf der Strecke bleibt. Für das, was diese Leute wollen, gehen sie über Leichen. Es war am 13. August 2001 in Berlin. Ich erinnere mich an diesen Tag, als sei es erst gestern gewesen. Überall in der Stadt war Trauerbeflaggung wegen des Mauerbaus vor damals vierzig Jahren. Britta Bausen, eine gute Freundin von mir, war gerade zweiundzwanzig Jahre alt. Spätabends machte sie sich an diesem Tag nach einem Besuch bei ihrer Freundin zu Fuß auf den Nachhauseweg. Ihre Wohnung lag ungefähr zehn Minuten entfernt. Es war der letzte Weg, den sie in ihrem Leben gehen sollte. Keine hundert Meter von ihrer Wohnung entfernt, in einem kleinen Park, durch den sie immer ging, wurde sie überfallen, brutal vergewaltigt und dann ermordet. Bei der Untersuchung ihrer Leiche wurden unzählige Abdrücke entdeckt. Abdrücke von den Profilen grober Stiefel. An ihrem Hals, in ihrem Gesicht, auf ihrer Brust. Den Spuren nach waren es drei Täter. Diese Schweine. Sie haben Britta einfach totgetreten.
Auf ihrer Beerdigung sah ich das schreckliche Leid. Da war eine Familie, deren Leben niemals wieder unbeschwert sein konnte. Da waren Freunde, so wie ich, die einfach nicht begreifen konnten, dass jemand für immer in ihrem Kreis fehlen würde. Ich fühlte mich plötzlich unendlich wütend und gleichzeitig absolut hilflos. Mein Theologiestudium machte nichts ungeschehen, konnte es nicht verhindern. Wozu also war es dann überhaupt gut? Dann war da ein Pfarrer. Ein Mann der es auf unglaubliche Weise verstanden hat, die Angehörigen und Freunde in ihrer Trauer zu trösten und ihnen Mut zu machen. Jetzt wusste ich wieder, wozu dieses Studium dienen sollte. Ich spürte ihm gegenüber eine große Bewunderung und Dankbarkeit. Er hatte eine wirklich große Aufgabe. Eine Aufgabe, der ich wahrscheinlich nie gewachsen sein würde. In mir wuchs einfach nur der unbändige Zorn darüber, dass Menschen, die so etwas tun, unbehelligt weitermachen können. Von mir gab es keine Vergebung. Ich wollte, dass solche Verbrecher unbarmherzig gejagt werden. Deshalb habe ich mich entschlossen, meine Position auf dem Spielfeld zu ändern. Nicht mehr nur hilflos zusehen. Wenn möglich, einigen Leuten für das, was sie anrichten, die bittere Rechnung präsentieren. Das war es, was ich wollte. Aus diesem Grund bin ich hier.«
Herzog sah Kerner einen Moment lang schweigend an. »Ich verstehe. Ein trauriger Anlass, aber eine gute Entscheidung, Kerner. Sie sind in meinen Augen ein erstklassiger Ermittler und einer der wenigen Menschen, die mein rückhaltloses Vertrauen haben. Bitte setzen Sie sich.« Aus der Schublade seines Schreibtisches zog Herzog eine rot gekennzeichnete Akte hervor. Er legte sie vor sich hin und sah Kerner über den Rand seiner Brille hinweg scharf an. »Alles, was diese Akte beinhaltet, ist streng geheim. Es dürfen keinerlei Details an die Öffentlichkeit gelangen. Andere Dienststellen werden nur dann involviert, wenn es nicht zu umgehen ist. Alle Ergebnisse in diesem Fall werden vorerst nur mir mitgeteilt. Ich möchte nicht im Vorfeld schon eine Lawine lostreten.« Kerner wurde hellhörig. Herzog gehörte nicht zu den Leuten, die zu Übertreibungen oder gar zur Dramatik neigten. Der Inhalt dieser Akte musste eine immense Tragweite haben. Wortlos nickte er, und Herzog fuhr fort. »Kerner, Sie haben alle notwendigen Eigenschaften, um die Verbrecher der Oberliga zu jagen, und genau das sollen Sie jetzt tun. Sagen Sie, sind Sie eigentlich etwas bewandert in der Geschichte der SS?« Kerner fuhr sich mit der Hand in den Nacken. Ein dunkles Kapitel in der Geschichte seiner Familie war eng damit verknüpft. Da es wohl nichts mit Herzogs Frage zu tun hatte, beließ Kerner es bei einer allgemeinen Antwort. »Na ja, ich würde sagen, soweit man durch Schulzeit und Studium normalerweise bewandert ist. Darüber hinaus weiß ich aber auch, dass es zu dem Ganzen eine weitreichende Vor- und Nachgeschichte gibt. Aber worauf genau wollen Sie hinaus?« Herzog lächelte Kerner hintergründig an.
»Das werden Sie jetzt erfahren, Kerner. Die Kripo in Offenburg hat uns heute Morgen um Unterstützung gebeten. Am
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