Jagdhunde (German Edition)
Nachbarn und andere Freiwillige. Als es hell wurde, kam ein Helikopter zum Einsatz. Manchmal war Cecilia nach ihrer Joggingtour noch schwimmen gegangen, also wurde der Suchradius bis zum Meer hin ausgeweitet.«
»Ihr habt sie nach zwei Wochen gefunden«, erinnerte sich Suzanne.
»Zwölf Tage«, bestätigte Wisting. »Man hatte sie draußen bei Askeskogen irgendwo an den Straßenrand geworfen, aber schon lange davor hatten wir begriffen, dass sie einem Verbrechen zum Opfer gefallen war.«
»Und wieso?«
Wisting löste seine Finger aus der Verschränkung mit Suzannes Händen. »Sie war verschwunden«, sagte er. »Aber niemand verschwindet einfach nur so.«
Er räusperte sich, wie um das zu lösen, was die Erinnerungen an die alte Ermittlung anscheinend zurückhielt.
»Es gab viele, die sie gesehen hatten«, fuhr er fort. »Nachdem sich die Nachrichten verbreitet hatten, meldeten sich Zeugen. Wanderer, Hüttenbewohner, Jugendliche und Bauern. Erst war sie in westliche Richtung gelaufen, hinunter nach Nalumstranda. Dann war sie dem Küstenweg nach Osten und bis zum Gumserød-Hof gefolgt. Dort endeten alle Spuren.«
Wisting erinnerte sich an die Karte, die an seiner Bürowand gehangen hatte, mit all den roten Markierungen, die jeden Ort kennzeichneten, an dem Zeugen sie gesehen hatten. Von Punkt zu Punkt hatten sie eine Linie ziehen können, ungefähr wie bei einem Malen-nach-Zahlen-Spiel in irgendeinem Zeichenheft, und waren so dem Lauf ihrer schicksalhaften Joggingtour gefolgt.
»Am Dienstagmorgen, drei Tage nach Cecilias Verschwinden, tauchte Karsten Brekke im Polizeipräsidium auf. Wie alle anderen hatte er über die Sache gelesen. Die Zeitungen hatten diese Reklamefotos für die Canes- Pullover verwendet, als sie die Vermisstenmeldung auf die Titelseiten setzten.«
»Und hatte er sie gesehen?«, fragte Suzanne.
»Nein, aber er hatte denjenigen gesehen, von dem wir annehmen mussten, dass es sich um den Mörder handelte«, erwiderte Wisting. »Brekke war auf einem Traktor über die Landstraße nach Stavern hineingefahren. An der Kreuzung, wo der Weg vom Gumserød-Hof auf den Helgeroaveien trifft, hatte er einen Opel Rekord mit Rostflecken stehen sehen. Der Kofferraum war offen und ein Mann lief auf dem Kiesweg hin und her.«
Wisting konnte sich noch immer an die Beschreibung erinnern, die sie bekommen hatten. Von seinem Traktor aus hatte Karsten Brekke genügend Zeit gehabt, um den fremden Mann zu beobachten.
Weißes T-Shirt und Jeans. Breites Gesicht mit kräftigem Kinn. Dicht zusammenstehende Augen und eine von Falten zerfurchte Stirn, so als hätte er sich um irgendetwas Sorgen gemacht. Das Wichtigste allerdings waren zwei kleine Details. Der Mann hatte eine gebrochene Nase und in seinem Mundwinkel hatte eine Zigarette gehangen.
Wisting hatte die Kriminaltechniker zu der Zufahrt zum Gumserød-Hof geschickt. Sie hatten nur darauf gewartet, mit irgendetwas arbeiten zu können, und durchkämmten die ganze Gegend an der Wegkreuzung. Neben allen Sachen, die sie in den Asservatenbeuteln mitbrachten, waren drei Zigarettenkippen.
»Da wurde doch auch noch was anderes gefunden«, warf Suzanne ein. Offenbar erinnerte sie sich an immer weitere Einzelheiten des Falls. »War das nicht ein Kassettenrekorder oder so was?«
»Cecilias Walkman«, bestätigte Wisting und musste daran denken, wie sich die Zeiten im Laufe der vergangenen Jahre geändert hatten. Heutzutage wurde die Musik drahtlos auf hosentaschengroße Mobiltelefone geladen, die eigentlich ziemlich avancierte Computer waren. Damals musste man noch ein Tonband abspielen.
»Wir bekamen das Gerät am selben Nachmittag herein«, fuhr Wisting fort. »Cecilia hörte beim Laufen immer Musik. Das hatte in den Zeitungen gestanden. Zwei kleine Mädchen hatten den Walkman im Straßengraben an der Landstraße 302 gefunden, nahe der Einfahrt zum Schloss Fritzøehus.«
»Das ist ja fast auf der anderen Seite der Stadt.«
»Das nicht unbedingt, aber eben auch kein logischer Fundort im Verhältnis zur Laufstrecke und dem Zigarettenmann.«
»Zigarettenmann?«
»So haben ihn die Zeitungen getauft, nachdem sie erfuhren, dass man ihn beobachtet hatte. Und so haben wir ihn dann auch genannt.« Wisting strich mit der Hand über die Tischplatte. »Aber genug davon. Es gab keinen Zweifel, dass es sich um Cecilias Walkman handelte.«
Er schluckte. Mit jedem Wort kamen immer mehr Details aus dem alten Fall an die Oberfläche. Eine gelbe Kassette der Firma AGFA. Neunzig
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