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Mörderische Aussichten

Mörderische Aussichten

Titel: Mörderische Aussichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A George
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1
    »Glaub mir, Patricia Anne«, sagte meine Schwester Mary Alice, während sie in meine Küche gestapft kam und ihre Handtasche
     auf den Tisch warf, »die Hochzeitsgeschenke werden kein Problem sein. Das Mädchen besitzt ja nicht einmal eine Eierplatte.«
    »Du kannst ihr doch die eine von dir geben, auf der
See Rock City
steht und wo die Eier dramatisch über die Wasserkaskaden der Ruby Falls stürzen.«
    »Bist du verrückt? Das ist eine Antiquität, die habe ich im Lookout-Mountain-Souvenirshop erstanden, als ich mit der Abschlussklasse
     nach Washington gefahren bin.« Mary Alice nahm sich einen Stuhl und blickte zu mir hoch. »Was um alles in der Welt tust du
     da?«
    »Was würdest du denn vermuten?«
    »Dir den Hals brechen.«
    »Mit Sicherheit.« Ich stand auf dem Küchentresen und lackierte die Wandschränke. Das Problem war nur, dass ich einen Meter
     fünfundfünfzig groß bin, der Abstand zwischen Tresen und Zimmerdecke aber bloß einen Meter vierzig beträgt, was mich zu einer
     Position zwang, die dem Glöckner von Notre-Dame zur Ehre gereicht hätte. Ich legte meinen Pinsel auf die offene Dose Hochglanz-Weißlack,
     setzte mich auf den Tresen und rieb meine steifen Schultern.
    »Du bist zu alt für so was«, sagte Mary Alice. »Du könntest leicht runterfallen und dir die Hüfte brechen.Sicher hast du Osteoporose. Du bist geradezu prädestiniert dafür, weißt du. Erst neulich hat diese Ärztin mit den dicken Grübchen
     in ›Good Morning America‹ gesagt: ›Wenn Sie mager, alt und weiß sind, dann passen Sie bloß auf!‹«
    »Ich liebe Malerarbeiten«, sagte ich. »Wo hat man sonst ein so unmittelbares Erfolgserlebnis? Vielleicht höre ich in fünf
     Jahren damit auf, wenn ich so alt bin wie du.«
    Mary Alice runzelte die Stirn, beschloss dann aber, den Mund zu halten. Sie war unlängst sechsundsechzig geworden, hatte sich
     aber entschieden, von da an rückwärts zu zählen. Nach der letzten Zählung ist sie vierundsechzig. Macht natürlich einen riesigen
     Unterschied. Das erinnert mich an diesen Werbespot, in dem sie Urgroßmutters hundertsten Geburtstag feiern und eine Frau boshaft
     ihrer Nachbarin zuflüstert, dass Urgroßmutter in Wirklichkeit schon hundertundeins ist.
    »Wie gesagt«, fuhr sie fort, »ich glaube nicht, dass dieses Mädchen auch nur einen Hosenknopf besitzt.«
    »Ich schätze, mit ›diesem Mädchen‹ meinst du Sunshine Dabbs.«
    »Na klar, Maus. Von wem sollte ich sonst reden?« Mary Alice stand auf, öffnete den Kühlschrank und nahm einen Krug Eistee
     heraus. »Möchtest du welchen?«
    Ich griff hinter mich und reichte ihr zwei Gläser. »Sie scheint aber sehr nett zu sein. Hübsch. Niedlich.«
    »Ja, natürlich. Sonst hätte Ray sie ja wohl nicht geheiratet. Aber ich will nicht, dass jemand nur wegen dem Geld hinter meinem
     Baby her ist.«
    »Gott bewahre uns davor, dass eine Frau des Geldes wegen heiratet.«
    Das ließ mir Mary Alice nicht durchgehen. »Das istgeschmacklos, Patricia Anne. Ich habe sie alle geliebt, und das weißt du!« Mit »alle« meinte sie ihre drei Ehemänner, die
     samt und sonders achtundzwanzig Jahre älter gewesen waren als sie, unglaublich vermögend, ausreichend viril, um sie je einmal
     zu schwängern, und rücksichtsvoll genug, um auf appetitliche Weise zu sterben, wenn auch Roger Cranes Ableben während eines
     Transatlantikfluges einige Probleme verursacht hatte.
    »Ich weiß«, räumte ich ein. Obwohl Fred, mein Mann, immer sagt: »Geld ist schon hilfreich.«
    »Dann hör auf mit deinen schäbigen Anspielungen.« Sie stellte den Tee auf den Tisch. »Komm runter von deinem Küchentresen,
     und ich erzähl dir, was ich über Sunshine herausgefunden habe. Hast du irgendwelche Kekse da?«
    Ich rutschte vom Tresen herunter und warf einen Blick in die Brotbüchse. »So ein paar Waffeldinger.«
    »Die mit dieser Füllung in der Mitte? Ich liebe den Belag, den sie auf der Zunge hinterlassen.«
    Ich reichte ihr die Packung. »Ich dachte, du bist auf Diät.«
    »Bin ich auch. Ich habe zum Mittagessen nur so einen Diät-Milchshake getrunken. Deshalb bin ich ja auch so hungrig.« Sie stopfte
     sich mehrere Kekse in den Mund. »Möchtest du auch einen?« Ich schüttelte den Kopf. »Mein Gott! Die Magersucht!«
    Ich machte mir keine Mühe zu antworten. Meine Schwester und ich sind der lebende Beweis dafür, welche Genvariationen es innerhalb
     einer Familie geben kann. Mary Alice ist einen Meter dreiundachtzig groß, bringt nach eigenen Angaben

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