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Jagdzeit

Jagdzeit

Titel: Jagdzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Osborn
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versuchte es noch mal. „Betrachten wir es doch einmal so, Mrs. Rennick. Wenn Sie gestatten. Vom Standpunkt der Geschworenen aus. Zunächst einmal: Ein zerschundenes Äußeres, ein paar Schrammen, eine zerschnittene Lippe, ein blaues Auge — nichts davon deutet zwangsläufig auf Vergewaltigung hin.“ Er zwang sich zu einem fröhlichen Lächeln und täuschte Leichtigkeit vor. „Die Polizei liest jedes Wochenende ein dutzend Kids auf, die nach einer Schlägerei unter Schulfreunden genauso aussehen. Meistens passiert so was, wenn ein Mädchen versucht, in den Kampf von zwei eifersüchtigen Jungs einzugreifen.“
    Der Versuch ging daneben. Mrs. Rennicks Stimme zischte ein weiteres Mal unangenehm aus dem breiten Oval ihres feindseligen Gesichts. „Sie sagen, dass Alicia nicht vergewaltigt wurde?“
    „Aber nein. Versuchen Sie doch bitte zu verstehen.“ Seine Stimme bat sie noch einmal eindringlich, die Sache fallenzulassen, den ganzen verdammten Mist, nach Hause zu gehen und es zu vergessen. „Meine Verantwortung Ihnen und Alicia gegenüber verpflichtet mich dazu, Ihnen genau zu sagen, was Ihnen bevorsteht, falls Sie sich für eine Anklage entscheiden.
    In jedem Gerichtsverfahren gibt es Unwägbarkeiten, egal wie klar oder verworren die Sachlage erscheinen mag.“
    „Weiter.“ Das war Rennick.
    Alicia starrte immer noch regungslos auf einen Punkt im Raum. War es die Vergangenheit? Oder die Gegenwart oder die Zukunft? Hörte oder sah sie etwas?
    Da waren Stimmen und undeutliche Bilder. Vorbeihuschende Erinnerungssplitter von Trunkenheit und Schuld. Und Angst. Das warnende Gefühl von Angst, das sie ignoriert hatte, als Ken auf der Party vorschlug: „Machen wir ‘nen kleinen Ausflug, Alicia.“ Und Art hatte gelacht und gezwinkert. Die plötzliche Angst, als sie sich nicht nur mit Ken, sondern auch mit Art und Greg im Auto wiederfand. Die wachsende, whiskygetränkte Panik, als Greg vom Rücksitz aus nach vorne griff und eine Hand in ihre Bluse gleiten ließ; und dann Art, der dasselbe tat. Und Ken, der plötzlich vom Fahrersitz aus fachmännisch unter ihren Rock langte.
    Sie hatte angefangen, sich zu wehren und zu schreien. Hatte Ken sie da zum ersten Mal geschlagen? Mit dem Handrücken. Ihre Lippen waren noch immer geschwollen und aufgeplatzt. Und ihr Zahnfleisch war wund. Vom ersten Schlag oder den anderen, die folgten?
    Das grelle Licht. Das Motel. Greg und Art, die sie auf den Boden des Wagens drücken, außer Sicht. Das Licht taucht das Dach und die Fenster des Wagens in Weiß. Die plötzliche Dunkelheit des Zimmers, lange unbenutzt, stickig kalt. Ihre Beine, die gegen fremde Möbel schlagen. Faustschläge. Kleider werden ihr vom Leib gerissen. Die Nacktheit. Erst ihre, dann die der anderen. Das Fremde der behaarten, harten, muskulösen Männerkörper. Und Männergeruch. Nicht einer, sondern drei. Dann Hände überall und Gelächter und Münder, die in ihren Mund beißen und an ihren Brüsten nagen. Und wieder Hände, die ihre Hände zwingen, sich um ein steifes Glied zu schließen, dann noch eines. Ken und Greg. Das Gewicht und der schmerzhafte Druck hartknochiger Gliedmaßen und der endgültige schreiende Schmerz, Greg unter ihr, ein Schmerz, der schneidet wie ein Messer, das Gewicht von Ken über ihr, seine tiefen Stöße von der gleichen Raserei. Ihre Flüche und ihr Gelächter. Und schließlich Art in ihrem Mund, gummiartig scheußlich, seine volle, erstickende Länge, die Daumen in ihre Augenwinkel gepresst. „Du Flittchen“, faucht er, „beiß mich und ich quetsch sie dir aus.“
    Wann war sie gegangen? Warum hatten sie sie laufen lassen? War es nur, weil sie schließlich betrunken eingeschlafen waren? Wann hatte die Polizei sie am Rand der nächtlichen Straße aufgelesen? Der diensthabende Sergeant ignorierte ihre Verzweiflung.
    „Nein, mir ist nichts zugestoßen, ich habe nur zu viel getrunken. Ich bin spazieren gegangen. Ich bin gefallen.“
    „Der Name Ihres Vaters?“
    „Bitte, ich möchte keinen Ärger. Bitte. Lassen Sie mich einfach nach Hause gehen. Was habe ich getan? Sie machen es nur noch schlimmer.“
    Und das Telefon, das läutet, irgendjemandes blecherne Stimme, unheilvoll, am anderen Ende. Das Motel. Drei Jungs. Wer wohl für den Schaden bezahlen würde, die zerbrochene Lampe, den Spiegel, den Stuhl, die von Zigaretten verbrannte Matratze, die verschmutzten Laken? Als sie eincheckten, hatte niemand das Mädchen gesehen. Das war ein anständiges Motel. Hatten noch nie Ärger. Ja,

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