Jagdzeit
Budapest verbracht, anstatt sich der üblichen amerikanischen Sommerinvasion in Paris, Rom oder Madrid anzuschließen, und ihr Hang zum Kommunismus war seitdem der Witz auf jeder Dinner-Party gewesen. Im Jahr davor hatten sie ein Haus an Portugals berühmter Algarve-Küste gemietet, wo die In-People international und intellektuell waren, britische Adelstitel vorherrschten, auch wenn deren Träger eher aus den Kolonien, Rhodesien und Kenia, stammten.
Helen selbst gab sich zurückhaltend schick und modisch. Sie rauchte durchaus mal einen Joint, wenn es die anderen auch taten, lehnte aber Partnertausch oder Gruppensex entschieden ab. Sie und Ken hatten es einmal ausprobiert und es hatte ihr nicht gefallen. Nicht etwa wegen ihres eigenen Partners, der nicht übel war, sondern wegen Ken, der munter und nachgerade hemmungslos mit einer ihrer ehemaligen Studienkolleginnen gevögelt hatte, die schon immer eine Schwäche für ihn gehabt hatte. Gelegentliches Nacktbaden mit Freunden machte ihr aber nichts aus. Wenn die Kinder nicht in der Nähe waren. Es machte Spaß und war ungefährlich. Ihr einziges ernstzunehmendes Laster war, dass sie vielleicht ein bisschen zu viel trank. Das hinterließ allmählich Spuren in Form einer gewissen Schlaffheit am Bauch und an den Oberschenkeln und einer leichten Rundung unter ihrem ansonsten festen Kinn. Aber im Augenblick ging es noch. Ihre Figur war noch ziemlich gut. Etwas gelitten hatte sie durch die Geburt und Aufzucht von vier Kindern, vierzehn, zwölf, zehn und acht Jahre alt. Geistig und emotional gelitten. Die Plackerei der Mutterschaft war nicht leicht gewesen, nach den Jahren an der Uni. So manche Frau fragte sich heute wohl, wozu ihr Diplom eigentlich gut sein soll, während sie dreckige Papierwindeln ins Klo entleerte oder wieder mal nach dem Abendessen loszog, um verstreutes Kinderspielzeug einzusammeln. Jetzt hatte sie das alles natürlich schon hinter sich. Jetzt waren Teenager-Probleme dran. Nach einer Reihe katastrophaler europäischer Aupair-Mädchen, meistens völlig hirnlose Schweizerinnen, hatte Ken wie durch ein Wunder ein schwarzes Teilzeit-Hausmädchen aufgetrieben, ein ziemlich selbstbewusster, frecher AfroTyp, zugegeben, aber dennoch himmlisch. Die Kinder waren, zumindest was ihr leibliches Wohl betraf, ziemlich selbständig. Helen hatte daher Zeit, Yoga-Stunden zu nehmen, Vorsit zende des lokalen Umweltschutz-Komitees zu werden und vielleicht sogar einen Job bei Ford zu bekommen, nachdem ein findiger Jung-Manager sich bei der Frauenbewegung einzuschmeicheln versuchte, indem er die Meinung überdurchschnittlich gebildeter Frauen — wie sie es war — über neue Designs und Farben erkundete.
Auch Ken konnte ein paar persönliche Pluspunkte verbuchen. Er wog kaum ein Pfund mehr als zu College-Zeiten, er hatte noch immer volles Haar und er hatte einen Hang zu Späßen, den er sofort abschalten konnte, wenn es darum ging, jemandem zu imponieren, dessen Intellekt und Niveau über dem Durchschnitt lagen. Er war dunkel, blauäugig, relativ groß, einsachtzig, um genau zu sein, und noch immer der Star des alljährlichen Eltern-Lehrer-Ballspiels.
Alle diese Gedanken fügten sich zu einer gewissen ruhigen Selbstgefälligkeit, die ihn beim Erwachen sanft durchströmte. Es war der erste November und noch dunkel. Er sollte Art Wallace und Greg Anderson nach Möglichkeit vor sieben Uhr abholen. Sie hatten heute eine lange Fahrt vor sich. Und er hatte einen Kater. Gestern hatten er und Helen zum Sonntags-Lunch geladen und er hatte viel zu viel getrunken. Wie sie alle. Vorwand war Halloween gewesen. Art und Greg und ihre Frauen Pat und Sue waren da gewesen, Annie und Tom Purcell, Bill Carter und seine Freundin Joyce und, relativ neu in ihrer jahrealten Clique, Paul Wolkowski, den zu kennen sich lohnte, weil er die richtigen Beziehungen in der Hauptstadt hatte und was auch immer in Ordnung bringen konnte. Zum Grillen mit zu viel Bier hatten sie der Kälte getrotzt, den ganzen Nachmittag mit den Kindern Fußball gespielt, und dann, nach einem kalten Abendessen, nachdem die Kinder im Bett gewesen waren, hatten sie ernsthaft zu trinken begonnen.
Die Frauen hatten den üblichen Blödsinn geschnattert, und die Männer hatten über Kens, Gregs und Arts alljährlichen Jagdausflug zu den Seen der nördlichen Halbinsel von Michigan gesprochen. Sie wollten am nächsten Morgen losfahren und diskutierten endlos darüber, was sie letztes Jahr mitgeschleppt hatten und diesmal zu Hause
Weitere Kostenlose Bücher