Jamaica Lane - Heimliche Liebe
»Die Pflicht ruft.«
Er schlenderte lässig durch den Raum und blieb neben einem der Mädchen stehen, das mit seinen Freundinnen an der Bar stand. Die Freundinnen rückten ein Stück von ihr ab, als Nate einen heftigen Flirt anfing. Selbstverständlich sah sie umwerfend aus – ein bezauberndes Gesicht, lange dunkle Haare, zarte Haut, tolle Rundungen. Wahrscheinlich hatte sie ein paar Kilos zu viel auf den Rippen, so wie ich, aber im Gegensatz zu mir ging sie absolut selbstbewusst damit um. Das musste man Nate lassen, er hatte kein festes Beuteschema. Ob dünn oder dick, kurvig oder athletisch – er fand alles attraktiv, was hübsch und weiblich war.
Sobald Nate die Brünette anlächelte, war es um sie geschehen.
Ich war nicht im mindesten überrascht. Mit seinen eins achtzig war Nate nicht außergewöhnlich groß, aber angesichts seines vom Kampfkunsttraining gestählten Körpers, des unverschämt attraktiven Äußeren und einer Ausstrahlung, die man für kein Geld der Welt kaufen konnte, war es den meisten Frauen völlig schnuppe, ob sie ihn in hochhackigen Schuhen um ein paar Zentimeter überragten, wenn sie nur einen Abend lang an seinem Arm hängen durften.
Ich war die Ausnahme. Mich würde Nate nie als potentielle Sexualpartnerin betrachten, insofern war es das Beste, meinen Gedanken erst gar nicht zu erlauben, in diese Richtung abzudriften. Wahrscheinlich wusste ich mehr über den wahren Nate als die meisten seiner Bekannten, daher fiel es mir nicht weiter schwer, ihn als Freund zu sehen. Ich konnte die Anziehungskraft, die er auf mich ausübte, ausblenden, weil ich wusste, dass sowieso nie etwas daraus werden würde. Mir war es lieber, Nate als guten Freund in meinem Leben zu haben als gar nicht. Denn ungeachtet all seiner Bindungsängste und der schamlosen Aufreißermentalität war er im Grunde genommen ein durch und durch anständiger Kerl und ein wirklich treuer Freund.
»Die ist fällig«, stellte Joss halblaut fest.
Ich drehte mich zu ihr um und zog eine Augenbraue hoch, als ich sah, wie Joss schmunzelnd Nate und das Mädchen beobachtete.
»Er macht ihnen nie irgendwelche Versprechungen.«
Sie lachte. »Du musst ihn nicht verteidigen. Ich weiß, dass Nate immer sofort die Karten auf den Tisch legt, aber wir reden hier von Frauen. Und die hören manchmal eben nur das, was sie hören wollen.«
Ich nickte. »Ja, aber Nate spürt das sofort, als hätte er einen sechsten Sinn dafür. Sobald er merkt, dass sich ihr Verhalten ihm gegenüber auch nur das kleinste bisschen ändert, ist er raus aus der Nummer.«
»Ich warte so sehnlich darauf, dass er bei einer mal richtig auf die Nase fällt«, meldete sich Ellie zu Wort und grinste diebisch in Nates Richtung.
»Geht mir genauso.« Jo warf mir einen bedeutsamen Blick zu.
Ich stellte mich dumm und tat so, als verstünde ich nicht, was sie damit meinte. Dann wechselte ich schleunigst das Thema. »Habt ihr schon Cams neues Tattoo gesehen? Cole hat es entworfen«, teilte ich den anderen voller Stolz mit.
Cole Walker war der beste Junge der Welt. Jo hatte bei der Erziehung ihres kleinen Bruders großartige Arbeit geleistet, und jetzt waren die beiden nicht länger allein, sondern hatten Cameron MacCabe, der so ungefähr das Beste war, was den beiden jemals hätte passieren können. Er und Cole waren sich ungeheuer ähnlich – beide künstlerisch veranlagt, beide Typ cooler Nerd. Insofern lag es nahe, dass Cam Cole damit beauftragt hatte, ein neues Tattoo für ihn zu entwerfen.
Es war phänomenal geworden.
Im Zentrum eines Tribalmotivs aus Schnörkeln und gezackten Ranken verbargen sich die stilisierten Buchstaben »C« und »J«.
»Ooh, lass mal sehen«, rief Ellie.
Cam schüttelte den Kopf. »Es ist auf meinen Rippen.«
»Komm schon, wir werden beim Anblick deines Waschbrettbauchs schon nicht gleich in Ohnmacht fallen«, neckte Joss.
»Es ist ein schöner Waschbrettbauch.« Jo tätschelte Cam stolz besagten Körperteil.
Braden nippte an seinem Whisky. »Ich persönlich habe keinerlei Interesse daran, seinen Waschbrettbauch zu sehen. Er könnte … einen gewissen Neid in mir wecken.«
Adam nickte todernst. »In mir auch.«
»Leckt mich doch«, brummte Cam, aber seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen.
»Na schön, wenn er unbedingt ein Spielverderber sein will …«, grummelte ich und begann, in meiner Handtasche zu kramen. Als ich das Blatt Papier hatte, zog ich es hervor, faltete es auseinander und zeigte den anderen die Zeichnung
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