Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
Rauchzeichen
N icht einmal das Wetter ist gekommen. Kein Regen, kein Windhauch, kein Sonnenstrahl.
Achthundert Euro zahlst du für die Verbrennung in Tschechien. Discountpreis für das finale Einschüren.
Sie sind mit dem Reisebus gekommen. Nebeneinander mussten sie ausharren, vier Stunden lang. Kein Wort ist zwischen ihnen gefallen. Es hätte auch keiner von beiden aufheben und verwenden können. Zu Asche soll werden, was ihnen gemeinsam war. Ihr Sohn.
Merkwürdig, dass es kein unfassbarer Moment ist. Unwirklich – ja, aber es fühlt sich an, als wäre ihnen beiden längst klar gewesen, einmal genau so dazustehen. Mit hängenden Schultern und dieser Leere hinter der Stirn.
Die Jahre haben sie vorbereitet.
Wenn das Schicksal einmal beschlossen hat, sich den Schlagring überzuziehen, prügelt es immer weiter. Und du gewöhnst dich daran, die Haut wird ledern, der Geist undurchlässig wie Felsgestein.
Ein Messerstich. Mitten ins Herz. Er hat nicht leiden müssen, hat ihnen ein triefäugiger Beamter mitgeteilt. Die Worte von sanfter Stimme ummantelt, wie die scharfe Klinge durch die Scheide. Als machte das einen Unterschied – danach.
Eine Rauferei soll es gewesen sein. Gestritten hat er immer gern – mit allen und jedem sich angelegt. Ein Rumtreiber, einer der sich nichts sagen ließ. Nicht einmal Schläge haben geholfen. Und später, als die Polizei zum ständigen Gast geworden war, hat der Vater ihn rausgeschmissen. Alles hat doch einmal ein Ende haben müssen, den Krug hatten sie viel zu lange zum Brunnen getragen.
Die Frau denkt zurück – an das Baby auf ihrem Schoß. Warm, glucksend vor Vergnügen und voller Neugier auf den Augenblick. Kurz legt sie ihre Hände auf den Bauch.
So lange her und doch schmerzlich nah.
Das grummelnde Förderband setzt den Sarg in Bewegung. Kiefer aus Rumänien. Chopins Trauermarsch beginnt, aus den Boxen zu scheppern. Es wird ihren Leibern warm.
Der Boandlkramer hat sich zuletzt des Burschen angenommen – für ihn ist ein jeder bedeutsam. Achtsamkeit ist sein Motto.
Und so sät der Sensenmann, dort, wo er gemäht hat, auch all die Gespenster und Fratzen, die verblichenen Träume und Hoffnungen, das Leiden und die Schuld.
Manchmal dauert es nur einen Augenblick, bis sie austreiben und bittere Früchte tragen – manchmal fünf lange Jahre.
Aber es passiert. Und immer gibt es jemanden, der ernten wird.
Kriegspfad
D ie Gegner belauern sich. Ihre Augen sind weit aufgerissen. Schweißtriefende Oberkörper schaukeln hin und her, als wären es fleischerne Bojen auf hoher See.
Sie kennen sich genau. Den linken Fuß vorgestellt, die Leiber unter geduckter Anspannung, stoßen sie zögerlich Fäuste heraus, die wirkungslos auf die Deckung prallen. Das Patschen der gepolsterten Handschuhe klingt nicht saftig genug, um zu beeindrucken. Zermürbungstaktik, warten auf die Lücke – oder nackte Vernunft angesichts drohender Prügel.
Zu viel Ritual, zu wenig effektive Aggressivität zeigt der geringschätzige Gesichtsausdruck des blumenohrigen Zuschauers an. Vom »Punch« ganz zu schweigen. Der Mann hält sich neben der Ringmatte auf und leidet sichtlich. Als wäre er gezwungen, zickende Möchtegern-Models im TV zu beglotzen. Seine hellwachen Augen begleiten jede Nuance des Schauspiels. Die Stirn unter kahlem Schädeldach gefaltet, zucken seine Schultern, antrainierten Bewegungsimpulsen folgend, immer wieder nach vorn.
»Was soll des darstellen, Mädels? Geht’s doch ins Ballett!«, schmeißt er seine heißere Stimme in den Ring. »Steck dir a Rosen in den Oasch, Sandner!«
Lebende Blumenvase zieht der angesprochene Hauptkommissar nicht in Erwägung. Tänzeln und Fintieren ist seine Sache nicht. Die Füße flach in die Plane gestemmt, versucht er, sich seiner Haut zu erwehren. Gerade hat er genug damit zu tun, Luft zu bekommen. Seine halbherzigen Schwinger verprügeln die abgestandene Luft. Salziger Schweiß brennt in seinen Augen. Die Arme werden schwer und schwerer, als hätte er Hufeisen in den Handschuhen verborgen. Seiner Schlagkraft könnte es nicht schaden. Jeder Fausthieb wird begleitet von tierhaftem Ächzen. Klingt nach Paarungsritual der Riesenschildkröten. So ein Panzer wäre dem Sandner recht. Kopf einziehen und sorgenlos.
Zehn Zentimeter größer als der Sandner und zumindest zehn Kilo leichter kommt sein Gegenüber, der Miran, daher. Drahtig und beweglich. Nicht ganz auf Augenhöhe, die beiden Kampfhähne.
Trotz seiner eins achtzig boxt der
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