James Bond 02 - Leben und sterben lassen (German Edition)
ausgewandert, um dort erfolgreich für ein Überfallteam der Legs-Diamond-Gang zu arbeiten. Nach dem Ende der Prohibition zog er nach Harlem und kaufte sich Anteile an einem kleinen Nachtclub und einem Ring farbiger Callgirls. Sein Partner wurde 1938 in einem Fass voller Zement im Harlem River gefunden, und Mr Big wurde automatisch zum alleinigen Geschäftsinhaber. 1943 wurde er von der Armee eingezogen und erregte durch sein ausgezeichnetes Französisch die Aufmerksamkeit des Amts für strategische Dienste – des amerikanischen Geheimdienstes während des Krieges. Dort erhielt er eine äußerst gründliche Ausbildung und wurde als Agent im Einsatz gegen die Pétain-Kollaborateure nach Marseille geschickt. Er fand schnell Anschluss bei den afrikanischen Dockarbeitern, leistete gute Arbeit und lieferte genaue Geheimdienstinformationen über die Marine. Er arbeitete eng mit einem sowjetischen Spion zusammen, der einen ähnlichen Auftrag für die Russen erledigte. Am Ende des Krieges wurde er in Frankreich aus dem Armeedienst entlassen (und erhielt sowohl von den Amerikanern als auch von den Franzosen Auszeichnungen) und verschwand dann für fünf Jahre, vermutlich nach Moskau. 1950 kehrte er nach Harlem zurück und fiel dem FBI als mutmaßlicher sowjetischer Agent auf. Doch er ließ sich nie etwas zuschulden kommen und tappte auch nie in die Fallen, die ihm das FBI stellte. Er kaufte drei Nachtclubs sowie eine florierende Bordellkette in Harlem. Er schien ein unbegrenztes Budget zu haben und bezahlte all seinen höhergestellten Handlangern einen Festpreis von zwanzigtausend Dollar pro Jahr. Entsprechend – und weil er durch Mord aussiebte – erhielt er professionelle und gewissenhafte Dienste. Es war bekannt, dass er einen Voodoo-Tempel in Harlems Untergrund gegründet und eine Verbindung zwischen dieser Einrichtung und dem Hauptkult auf Haiti hergestellt hatte. Nach und nach verbreitete sich das Gerücht, er sei der Zombie oder die lebende Leiche von Baron Samedi persönlich, dem gefürchteten Prinzen der Finsternis. Er förderte diese Geschichte, sodass sie nach kurzer Zeit überall in den unteren Schichten der Negerwelt anerkannt wurde. Damit verbreitete er echte Angst, was er durch die plötzlichen und oftmals rätselhaften Tode eines jeden, der ihm in die Quere kam oder sich seinen Befehlen widersetzte, untermauerte.
Bond hatte Dexter und Leiter sehr genau zu den Beweisen befragt, die den riesigen Neger mit SMERSCH in Verbindung brachten. Sie schienen zweifellos schlüssig zu sein.
1951 hatte das FBI endlich einen bekannten sowjetischen Agenten des MWD dazu überreden können, als Doppelagent für sie zu arbeiten, indem sie ihm eine Million Dollar in Gold sowie eine sichere Zuflucht nach sechs Monaten in ihrem Dienst versprachen. Einen Monat lang lief alles gut, und die Ergebnisse überstiegen ihre höchsten Erwartungen. Der russische Spion hatte in der sowjetischen Delegation bei den Vereinten Nationen den Posten eines Wirtschaftsexperten inne. Eines Samstags hatte er sich zur Pennsylvania Station aufgemacht, um mit der U-Bahn zum sowjetischen Wochenendferienlager in Glen Cove, dem ehemaligen Morgan-Anwesen auf Long Island, zu fahren.
Ein riesiger Neger, der durch Fotos eindeutig als Mr Big identifiziert werden konnte, hatte neben ihm auf dem Bahnsteig gestanden, als der Zug eingefahren war, und wurde dabei gesehen, wie er Richtung Ausgang spazierte, noch bevor der erste Waggon über den blutigen Überresten des Russen zum Stillstand gekommen war. Niemand hatte gesehen, wie er den Mann gestoßen hatte, doch in der Menschenmenge wäre das kein Problem gewesen. Zeugen sagten, es könne kein Selbstmord gewesen sein. Der Mann schrie furchtbar, als er fiel, und hatte (welch melancholische Note!) eine Tasche mit Golfschlägern über seiner Schulter hängen. Mr Big konnte natürlich ein Alibi vorweisen, das so sicher war wie Fort Knox. Er war festgenommen und verhört worden, doch der beste Anwalt in Harlem hatte ihn schnell wieder auf freiem Fuß gehabt.
Bond genügten die Beweise. Mr Big war genau der richtige Mann für SMERSCH und besaß die erforderliche Ausbildung. Eine wahre, unnachgiebige Waffe der Angst und des Todes. Welch brillante Voraussetzungen, um Geschäfte mit den kleineren Fischen der Negerunterwelt zu machen und ein farbiges Informationsnetzwerk aufrechtzuerhalten! – immerhin war die Angst vor Voodoo und dem Übernatürlichen nach wie vor tief im Unterbewusstsein der Neger verwurzelt. Und wie
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