Jeans und große Klappe
schlechte Wahl getroffen hat. Ihm stehen in diesem Beruf alle Möglichkeiten offen. Es liegt jetzt an ihm, ob er sie nutzt.«
Hätte ich geahnt, was auf mich zukommen würde, dann hätte ich ihm vermutlich geraten, Finanzbeamter zu werden oder Börsenmakler – keinesfalls jedoch einen Beruf zu ergreifen, der in meinen unmittelbaren Herrschaftsbereich fällt. Es war zwar ganz angenehm, einen Fachmann zu haben, der gelegentlich das Tischdecken übernahm, aber die damit verbundenen Reklamationen gingen mir bald ziemlich auf die Nerven.
»Wenn ich so ein Glas auf den Tisch stellen würde, bekäme ich vom Bertoni aber einiges zu hören!« Sascha hielt das beanstandete Glas gegen die Fensterscheibe und deutete auf eine kleine matte Stelle.
»Wie soll ich die Servietten vorschriftsmäßig falten, wenn du sie nicht anständig stärkst?« (Ich kann diese brettsteifen Dinger nicht leiden!)
»Haben wir denn keine Rotweingläser? Du willst doch wohl den Beaujolais nicht aus diesen Waschwannen trinken?«
»Was soll das für eine Sauce sein? Weißt du denn nicht, daß da Zitronensaft reinkommt und kein Essig? Was du da machst, ist direkt eine kulinarische Vergewaltigung!«
Irgendwann platzte mir auch mal der Kragen, und ich brüllte ihn an: »In ein paar Jahren wirst du irgendeinem unschuldigen jungen Mädchen erzählen, was für eine fabelhafte Köchin deine Mutter ist – nun iß auch gefälligst das, was ich koche!«
Die Unterhaltungen mit Sven gestalteten sich weniger schwierig, waren aber auch nicht ganz unproblematisch. Freute ich mich über die Forsythien, die in voller Blüte standen, so belehrte mich mein Sohn, daß die Lentizellen eine abartige Struktur aufwiesen, woraus zu schließen sei, daß der Strauch wohl bald eingehen würde. (Er steht immer noch.) Außerdem benötige der Pyracantha crenoserrata einen Auslichtungsschnitt, und ob ich nicht wisse, daß der Cytisus praecox einen helleren Standort brauche. Ich verstand Bahnhof, nickte aber zustimmend und ließ alles beim alten.
Die Zwillinge machten sich einen Spaß daraus, irgendwelche Blätter mitzubringen oder bizarr geformte Blüten und sie Sven vorzulegen, auf daß er sie klassifiziere. Weil ihm das in den seltensten Fällen gelang (»Dazu müßte ich den Habitus der Pflanze sehen und den Blattaustrieb!«), verloren sie bald den Respekt vor seiner Gelehrsamkeit und kamen zu dem Schluß: »Der kann uns doch viel erzählen! Wer weiß, ob diese komischen Namen überhaupt stimmen, wir können ja noch kein Latein.«
Sascha imponierte ihnen mehr, hauptsächlich deshalb, weil er uns seine neuerworbenen Fähigkeiten immer gleich vorführen wollte, und wenn diese Demonstrationen auch selten ganz einwandfrei gelangen, so waren die Produkte in den meisten Fällen trotzdem noch genießbar. Nur einmal wäre die Sache beinahe schiefgegangen: Die Vorbereitungen für das Flambieren von Kirschen waren abgeschlossen, Sascha goß den Cognac über die Früchte und hielt ein Streichholz dran, gebannt sahen wir zu, wie die Flüssigkeit auch vorschriftsmäßig aufflammte, aber dann stieß der Maestro an den Pfannenstiel, worauf sich das brennende Zeug über Tisch und Teppich ergoß.
»Macht man das neuerdings auf diese Art?« erkundigte sich Rolf maliziös, nachdem er mit dem Inhalt der Blumenvase die Flammen erstickt hatte.
Als Sascha das nächstemal ein Feuerwerk inszenieren wollte, stellte sich Sven neben ihn, in der Hand ein Tablett, auf dem – umrahmt von Serviette, drei Petersilienstengeln und einer Zitronenscheibe – ein Feuerlöscher stand, eigens zu diesem Zweck aus dem Auto geholt.
Ein anderes Mal bat ich Sascha, doch gelegentlich eine Languste mitzubringen, weil die Zwillinge so ein Vieh mal in natura sehen wollten.
»Kann ich machen«, sagte er bereitwillig, »ich kriege das Zeug ja billiger. Aber hast du schon mal Flönze gegessen?«
» Wie heißt das?«
»Flönze!«
»Nein, was ist das?«
»Ein Flonz«, dozierte Sascha, »lateinisch Gulpinus rectalis, gehört zur Gattung der Schlörpse und ist ein rosaroter, etwa 7 bis 11 Zentimeter langer südamerikanischer Grottenolm, der am besten in gegrilltem Zustand schmeckt!«
»Dann bring mal einen mit!«
Sascha kugelte sich vor Lachen. »Das hat unser Serviermeister in der Berufsschule auch gesagt. Ich habe ihn nämlich gefragt, ob man für dieses Gericht Fischbesteck eindeckt oder eine Hummergabel. Der ist auf den Flonz genauso hereingefallen wie du. Der Quatsch muß also ziemlich glaubhaft klingen!«
Mit
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