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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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denken! Wir haben nicht das Zeug zu Verschwörern. Für uns war das einzig richtige, damit aufzuhören.»
    «Ja», sagte sie bitter, «aber wir haben das Zeug zu Drük-kebergern, zu Feiglingen! Du sagst, der Klaus hätte nicht mehr in die HJ gemußt. Aber wenn er es nicht gemußt hätte, wenn er seine Eltern hätte achten und lieben dürfen
    - was haben wir dazu getan? Was haben wir für eine bessere Zukunft getan? Nichts!»
    «Es können nicht alle Verschwörer spielen, Trudel!»
    «Nein. Aber man hätte anderes tun können. Wenn sogar ein Mann wie mein früherer Schwiegervater, der Otto Quangel ...» Sie brach ab.
    «Nun, was ist mit dem Quangel? Was weißt du von ihm?»
    «Nein, ich sage dir das lieber nicht. Ich habe es ihm auch versprochen. Aber wenn sogar ein alter Mann wie der Ot-to Quangel gegen diesen Staat arbeitet, so finde ich es schmählich, daß wir die Hände in den Schoß legen!»
    «Aber was können wir denn tun, Trudel? Nichts! Denk an alle Macht, die der Hitler hat, und wir beide sind rein gar nichts! Nichts können wir tun!»
    «Wenn alle so dächten wie du, würde Hitler ewig die Macht behalten. Einer muß gegen ihn zu kämpfen anfangen.»
    «Aber was können wir tun?»
    «Was? Alles! Wir könnten Aufrufe schreiben und an die Bäume hängen! Du arbeitest in der chemischen Fabrik, kommst als Elektriker in jeden Werkraum. Du brauchst nur einen Hahn anders zu stellen, die Schraube an einer Maschine zu lockern, und das Ergebnis von vielen Tagewerken ist kaputt. Wenn du so was tust, und noch ein paar Hundert andere, der Hitler würde sich schön umse-hen, wo sein Kriegsmaterial bleibt.»
    «Ja, und nach dem zweitenmal schon hätten sie mich beim Schlips, und ab mit mir zur Hinrichtung!»
    «Das ist es ja, was ich immer sage: Wir sind feige. Wir denken nur an das, was mit uns geschehen wird, nie an das, was den andern geschieht. Sieh mal, Karli, du bist von der Wehrmacht freigestellt. Aber wenn du Soldat sein müßtest, wärest du ja auch jeden Tag in Lebensgefahr und fändest es sogar selbstverständlich.»
    «Ach, bei den Preußen würde ich auch schon einen Druckposten kriegen!»
    «Und würdest andere für dich sterben lassen! Alles, wie ich es sage. Feige sind wir, zu nichts taugen wir!»
    «Diese verdammte Treppe!» brach er los. «Wenn das mit deiner Fehlgeburt nicht gekommen wäre, wir hätten so glücklich weitergelebt!»
    «Nein, es wäre kein Glück gewesen, kein richtiges, Karli! Schon seit ich mit dem Klaus ging, habe ich immer daran denken müssen, was aus dem Jungen wird. Ich hätte es nicht ertragen, wenn er den rechten Arm zum Heil Hitler ausgestreckt hätte, ich hätte ihn nicht im braunen Hemd sehen mögen. Wenn wieder einmal ein Sieg gefeiert wäre, hätte er erlebt, wie seine Eltern fein artig die Hakenkreuzfahne aushängten, und er hätte gewußt, daß wir Lügner sind. Nun, das wenigstens ist uns erspart geblieben. Wir haben den Klaus nicht haben sollen, Karli!»
    Er ging eine Weile in finsterem Schweigen neben ihr.
    Sie waren jetzt auf dem Rückweg, aber sie sahen weder See noch Wald.
    Schließlich fragte er: «Du meinst also wirklich, wir sollten so etwas anfangen? Ich soll in der Fabrik etwas aufstellen?»
    «Gewiß», sagte sie. «Wir müssen etwas tun, Karli, damit wir uns nicht so sehr schämen müssen.»
    Er überlegte eine Weile, dann sagte er: «Ich kann mir nicht
    helfen, Trudel, wenn ich mir das so vorstelle, wie ich in der Fabrik herumschleiche und Maschinen verderbe, es paßt nicht zu mir.»
    «So überlege dir, was zu dir paßt! Es wird dir schon einfallen. Es muß ja nicht gleich sein.»
    «Und hast du dir schon überlegt, was du tun willst?»
    «Ja», sagte sie. «Ich weiß eine Jüdin, die sich versteckt hält. Sie hat schon abtransportiert werden sollen. Aber sie ist bei schlechten Leuten und fürchtet jeden Tag Verrat.
    Die werde ich zu uns nehmen.»
    «Nein!» sagte er. «Nein, das tu nicht, Trudel! So belauert, wie wir sind, kommt es sofort raus. Und dann denk an die Lebensmittelkarten! Die hat doch bestimmt keine!
    Wir können doch nicht noch einen Menschen von unseren beiden Karten ernähren!»
    «Können wir das nicht? Können wir wirklich nicht ein bißchen hungern, wenn dadurch ein Mensch vom Tode errettet wird? Ach, Karli, wenn das so ist, dann hat es der Hitler wirklich leicht. Dann sind wir alle bloß Dreck, und es geschieht uns ganz recht!»
    «Aber man wird sie bei uns sehen! In unserer kleinen Wohnung läßt sich niemand verstecken. Nein, das

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