Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Jene Nacht im Fruehling

Titel: Jene Nacht im Fruehling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
Vom Netzwerk:
und den größten Teil ihres Bargeldes los. Wenigstens war sie so vernünftig gewesen, hundertfünfzig Dollar in ihrer Reisetasche zu verstauen, so daß sie nicht ohne einen Cent dastand.
    Nachdem Samantha den Diebstahl entdeckt hatte, fiel ihr ein, daß sie - für sie eine brandneue Erfahrung - ihre Kreditkarten sperren lassen mußte. Alles, was sie bisher erlebt hatte, war für sie traumatisch: ihr erster Aufenthalt in der großen bösen Stadt New York, ihre Begrüßung durch einen Taschendieb und die Notwendigkeit, ihre Kreditkarten sperren zu lassen. Für die gelangweilte junge Frau hinter dem Schalter waren das alles Dinge, die sie fünfzigmal am Tag erlebte. Sie händigte Samantha ein paar Formulare aus, die sie ausfüllen sollte, deutete auf eine Liste mit den Telefonnummern der Kreditkarten-Gesellschaft an der Wand und erklärte, daß sie diese anrufen müsse. Während Samantha telefonierte, lackierte sich die junge Frau die Nägel, führte mit ihrem Freund ein Ferngespräch und sagte ihrer Kollegin, was sie zum Lunch haben wolle - alles zur gleichen Zeit. Samantha versuchte der jungen Frau mitzuteilen, daß ihr soeben eine Brieftasche abhanden gekommen sei, die früher ihrer Mutter gehört habe und die ein Innenfutter aus Leder aufwiese mit einem Prägemuster, das ihr Vater psychedelisch genannt hatte. Die junge Frau sah Samantha jedoch nur mit leeren Augen an und sagte »Ja, gewiß«. Wenn diese Frau nicht soeben bewiesen hätte, daß sie intelligent genug war, mehrere Dinge gleichzeitig zu erledigen, würde Samantha aus ihrem Augenausdruck geschlossen haben, daß sie unrettbar verblödet sei.
    Als Samantha dann die Abteilung für Fundsachen verließ, hatte man ihren Koffer in einen Raum mit einer dicken Glastür eingesperrt, und sie mußte erst einen Wachmann finden, der ihr diese Tür öffnete - keine geringe Tat, denn niemand, den sie ansprach, wußte, wer den Schlüssel zu diesem Raum besaß. Überhaupt schien niemand zu wissen, daß dieser verschlossene Raum überhaupt existierte.
    Als sie dann endlich wieder im Besitz ihres Koffers war und, die Bordtasche über die Schulter gehängt, diesen hinter sich herzerrte, zitterte sie am ganzen Körper vor Erschöpfung und Frustration.
    Nun mußte sie sich nur noch ein Taxi besorgen - es würde die erste Taxifahrt ihres Lebens sein um vom Flugplatz in die Innenstadt zu gelangen.
    Eine halbe Stunde später befand sie sich in dem schmutzigsten Automobil, das sie bisher gesehen hatte. Es stank so furchtbar nach Zigarettenrauch, daß sie glaubte, ihr müsse übel werden. Als sie das Fenster herunterdrehen wollte, mußte sie feststellen, daß die entsprechenden Kurbeln an beiden Türen fehlten. Sie hätte den Chauffeur
    gern darauf angesprochen, aber sein Name, der auf dem Papier unter dem Taxometer stand, setzte sich vorwiegend aus den Buchstaben »X« und »K« zusammen, und er verstand offenbar nicht sehr viel Englisch.
    Als sie aus den schmutzigen Seitenfenstern des Taxis blickte und sich dabei bemühte, so wenig wie möglich zu atmen, machte sie den untauglichen Versuch, an nichts zu denken - nicht daran, wo sie jetzt war, warum sie dort war und wie lange sie wohl an diesem Ort bleiben mußte.
    Das Taxi fuhr unter einer Brücke hindurch, die aussah, als müßte sie wegen Einbruchsgefahr gesperrt werden, dann durch Straßen mit unzähligen winzigen Läden mit schmutzigen Fenstern. Als der Chauffeur Samantha zum drittenmal nach der Adresse fragte, wiederholte sie diese freundlich, da sie ihre Frustration nicht auf ihn übertragen wollte. Aus dem Mietvertrag hatte sie ersehen, daß die Wohnung sich in einem Backsteinhaus in den East Sixties zwischen Park und Lexington Avenue befand.
    Als der Chauffeur die Fahrt verlangsamte und nach der Hausnummer suchte, befanden sie sich in einer Straße, die ruhiger und nicht so verlottert zu sein schien wie die Straßen in den Bezirken, durch die sie bisher gefahren waren. Nachdem das Taxi angehalten hatte, bezahlte sie den Chauffeur, wobei sie rasch das erforderliche Trinkgeld im Kopf auszurechnen versuchte, und hob dann ihre beiden Gepäckstücke aus dem Wagen, ohne seine Hilfe in Anspruch zu nehmen.
    Sie betrachtete das Gebäude, vor dem sie nun stand. Es hatte fünf Stockwerke und in jeder Etage nur zwei Fenster. Aber es war ein sehr hübsches Haus mit einer hohen Vortreppe, die zu einer von einem fächerförmigen Oberlicht gekrönten Tür hinaufführte. Eine Glyzine mit purpurroten Blütenknospen, die jeden Moment

Weitere Kostenlose Bücher