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Jenseits aller Vernunft

Jenseits aller Vernunft

Titel: Jenseits aller Vernunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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den Mann, der auf einem kleinen Hocker saß, den dunklen Kopf in den Händen vergraben.
    Die Frau öffnete als erste den Mund. »Wer, um Himmels willen, ... und warum schwänzelt sie sozusagen nackt hier herum? Ach, das ist das Mädchen, das Eure Jungen gefunden und mitgebracht haben. Ich muss schon sagen, ich bin überrascht, dass Ihr hier mit einer solchen, einer ... solchen Person ... auftaucht, besonders zu diesem beklagenswerten Zeitpunkt. Hier wird es bald einen Todesfall geben und ...«
    »Vielleicht auch nicht«, zischte Ma, und ihre offensichtliche Abneigung gegen die Frau war ihrer Stimme deutlich zu entnehmen. »Mr. Grayson, diese junge Frau hat vorgestern ein Kind geboren. Sie hat Milch. Ich dachte, falls Mr. Colemans Baby vielleicht saug...«
    »Gütiger Himmel«, rief Mrs. Watkins entrüstet aus. Unter ihren gesenkten Wimpern hervor sah Lydia, wie die Frau eine magere Hand zu ihrem flachen Busen hob und nach dem Stoff ihres Kleides griff, als wehre sie einen bösen Geist ab.
    Ma ließ sich durch Leona Watkins’ Missbilligung nicht einschüchtern und sprach weiter zu dem Wagenzugführer gerichtet: »Vielleicht schafft es der arme Kleine doch, wenn Lydia ihn stillt.«
    Die Watkins unterbrach, bevor Mr. Grayson auch nur den Mund aufmachen konnte. Während der folgenden hitzigen Streiterei sah sich Lydia, so gut sie konnte, mit gesenktem Blick im Wagen um. Die in einer Ecke gestapelten Steppdecken waren aus besserem Stoff als die, die den Langstons zur Verfügung standen. Neben einer Kiste mit Porzellangeschirr stand ein Paar feiner, hochgeknöpfter, weißer Wildlederschuhe.
    Ihre Augen wanderten weiter und trafen auf zwei schwarze Stiefel. Weit auseinandergestellt bedeckten sie zwei lange Waden bis zum Knie. Die Stiefel trugen deutliche Gebrauchsspuren, waren aber offensichtlich aus feinstem Leder gefertigt. Sie umhüllten zwei längliche, wohlgeformte Füße. Die Absätze bestanden aus ungefähr zwei Zentimeter hohem, schwarz poliertem Holz. Falls die Länge seiner Schienbeine ein Maßstab war, muss te der Mann sehr hochgewachsen sein.
    »Ich sage Euch, das ist nicht anständig.« Mrs. Watkins Einwände hatten an Lautstärke und Nachdruck zugenommen. Eine klauenförmige Hand griff nach Lydias Kinn und hob mit einem Ruck ihren Kopf. Sie blickte in ein Gesicht, das völlig bar jedes lebendigen Fleisches zu sein schien. Es war schmal und gefurcht. Der Rücken ihrer dünnen Nase glich einer scharfen Messerschneide. Von ihren Lippen, die sie ununterbrochen schürzte, ging ein feines Netz von Linien in alle Richtungen. Die Augen passten mit ihrem stechenden Ausdruck zur Stimme.
    »Seht sie Euch doch nur an. Sie ist Abschaum. Das kann man ja förmlich riechen. Wahrscheinlich ist sie eine ... eine Prostituierte - der Herr möge mir vergeben, dass ich das Wort in den Mund nehme -, die ein Kind bekommen hat. Am Ende hat sie es selbst getötet, um es loszuwerden. Ich bezweifle, dass sie je wusste , wer der Vater war.«
    Völlig fassungslos durch die Worte der Frau starrte Lydia sie sprachlos an und flüsterte dann ein entsetztes »Nein!«
    »Mrs. Watkins, bitte«, schritt Mr. Grayson diplomatisch ein. Er war ein wohlwollender Mann, auch wenn er diesmal dazu neigte, der Watkins rechtzugeben. Die junge Frau hatte wirklich einen wilden Ausdruck an sich. Es war absolut nichts Feines an ihr, weder in der Art ihrer Kleidung noch darin, wie sie sie jetzt schamlos aus ihren ungewöhnlichen, bernsteinfarbenen Augen anfunkelte.
    »Das stimmt nicht!« widersprach Ma. »Und selbst wenn, Leona Watkins, wer sonst in diesem Wagenzug könnte das Kind stillen, Ihr etwa?«
    »Nun, ich würde niemals...«
    »Das stimmt«, zischte Ma. »Ihr habt es bestimmt nie geschafft, auch nur einen Tropfen Milch aus diesen verschrumpelten Tit...«
    »Ma, bitte«, gebot Mr. Grayson ihr Einhalt.
    Leona Watkins’ Augen blitzten zornig, aber sie schwieg, richtete sich trotzig auf und zog ihre Nüstern verächtlich zusammen.
    Ma kümmerte sich nicht weiter um sie. »Mr. Grayson, es ist Eure Pflicht, das Leben eines jeden in diesem Treck zu erhalten, also auch das des Babys da drüben. Hört Euch den armen Kleinen bloß an! Von den anderen Familien hat nur eine einzige Frau noch Milch, und die stillt schon ihre Zwillinge. Lydia ist die letzte Hoffnung für dieses Kind. Also, wollt Ihr sein Leben retten, oder wollt Ihr es verhungern lassen?«
    Leona Watkins faltete starrköpfig die Arme über der Brust. Sie lehnte jede Verantwortung für die Folgen ab,

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