Der Teufelskeiler
EINS
Was ich hier erzähle, geschah im Sommer 1933 in den Auwäldern des Sabine River in Osttexas. Wer sich noch daran erinnert, nennt es das »Jahr des Teufelskeilers«.
Es war auch das Jahr, in dem Richard Harold Dale im nicht allzu reifen Alter von fünfzehn zum Mann wurde.
Ich weiß das, weil ich mich an dieses Jahr und an den Teufelskeiler vermutlich besser erinnere als jeder andere. Und das aus gutem Grund. Ich bin Richard Harold Dale, und die Narben sind immer noch zu sehen.
Die Zeiten waren hart damals. Sehr hart. Die Depression nahm kein Ende, und es war äußerst mühsam, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Vermutlich hatten Leute wie wir, die auf dem Land und in den Flußauen lebten, es in vielerlei Hinsicht besser erwischt als die feinen Pinkel in der Stadt. Wir waren immer arm gewesen, und deshalb traf es uns, als die Zeiten schlechter wurden, nicht ganz so hart wie diejenigen, die feste Anstellungen hatten und diese verloren. Unsere Familie lebte ganz gut von dem, was uns der Boden gab, und hatte das immer getan. Was wir zum Essen brauchten, bauten wir an, was übrig blieb, verkauften wir.
Der Verkauf war in den 3oern unser Hauptproblem. Es sprang nicht viel dabei heraus. Die Leute hatten einfach kein Geld mehr.
Allerdings war 1933 auch für unsere Feldfrüchte kein gutes Jahr. Was nicht in der Hitze verdorrte, fraßen die Insekten. Es war, als hätte sich beim Ungeziefer auf der ganzen Welt herumgesprochen, dass es auf unseren Feldern eine kostenlose Mahlzeit gab. Alle sollten rüberkommen, gleich noch einen Freund mitbringen, sich ein Weilchen niederlassen und so viel fressen, wie sie nur konnten.
Und das taten sie auch. Sie fraßen und fraßen und fraßen.
Was übrig blieb, reichte gerade so, um über die Runden zu kommen. Und wenn etwas zu widerstandsfähig gegen die Hitze und zu ungenießbar für das Ungeziefer war, dann kann man sich vorstellen, dass wir davon auch nicht allzu begeistert waren. Aber es war besser als ein leerer Bauch.
Unseren Fleischbedarf mussten wir mit Jagen und Fischen decken. Die Wälder lieferten uns Eichhörnchen, Waschbären, Kaninchen und Opossums. Der Sabine River versorgte uns mit Fluss- und Wolfsbarschen, Welsen, Flusskrebsen und gelegentlich mit einer Schildkröte. Mit anderen Worten: Wenn etwas essbar war, aßen wir es.
Früher hatten wir mal ein oder zwei Schweine gehalten, in jenem Jahr allerdings nicht. Es gab einfach nicht genug, um eins mit durchzufüttern. Zeug, das wir noch im Jahr davor den Schweinen zum Fraß vorgeworfen hatten, aßen wir nun selbst. Wir hatten uns sogar einigermaßen davon überzeugt, wie toll es schmeckte.
Zu jeder Mahlzeit Essen auf den Tisch zu bringen, hielt die ganze Familie - das waren Mama, und die war schwanger, Papa, Ike, mein kleiner Bruder, und ich - von morgens bis abends auf Trab. So ging es fast allen. Es gab sogar einen alten Witz darüber, der ungefähr so ging: Ein Mann schaut aus dem Fenster und sagt: »Ma, die Zeiten werden wohl besser.« Und die Frau fragt: »Wie kommst du denn darauf, Pa?« Und der Mann antwortet: »Heute morgen ist nur ein einziger Mann draußen auf Karnickeljagd.«
Wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, dass ich jene Tage keineswegs als schlechte Zeit in Erinnerung habe. Geschäftig vielleicht, aber nicht schlecht. Ich war jung und hatte die ganzen Flusswälder von Osttexas vor der Haustür. Ich las nicht nur von Abenteuern, wie sie Tom Sawyer und Huck Finn erlebten, ich erlebte selber welche. Unser Haus steht heute nicht mehr, aber damals wohnten wir tief in den Auen am Ende eines schmalen, von Furchen überzogenen Feldwegs ungefähr eine halbe Meile von einer Stelle entfernt, wo der Fluss sehr seicht war. Wenn jemand den Weg entlangfuhr, dann entweder, um uns zu besuchen, oder um bei uns zu halten und um Erlaubnis zu fragen, ob sie den Wagen oder das Fuhrwerk bei uns abstellen und fischen gehen dürften. Papa ließ sie immer. Wie er zu sagen pflegte: »Der Fluss gehört nicht uns. Da gibt es nichts zu erlauben. Das Wasser, auf das du heute Anspruch erhebst, ist morgen schon drunten in Louisiana.«
Nachdem jeder, der den Weg heraufkam, bei uns hallen musste, waren wir immer ganz begeistert, wenn wir ein Auto oder Fuhrwerk hörten. Da wir so weit draußen wohnten, kamen wir nicht regelmäßig in die Stadt, und da wir damals auch kein Radio hatten, war uns jeder, der uns Klatsch oder Neuigkeiten brachte, allzeit willkommen.
Und wenn ich an das Jahr 1933 zurückdenke, erinnere ich mich als Erstes
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