Jenseits von Afrika
wohl einige schöne junge Somalifrauen, deren Namen in aller Munde waren, in die Basare, trieben da ihr Wesen und machten der Polizei von Nairobi viel zu schaffen. Es waren gescheite, verführerische Frauenzimmer. Aber die anständigen Somalifrauen ließen sich in der Stadt nicht sehen. Die Somalistadt war allen Winden preisgegeben, schattenlos und staubig – und mag ihre Bewohner wohl an ihre heimischen Wüsten gemahnt haben. Europäer, die lange Zeit, vielleicht Generationen lang, in der gleichen Gegend leben, können nie die völlige Gleichgültigkeit der Nomaden gegen die Umwelt ihrer Wohnstätte begreifen. Die Somalihäuser waren unregelmäßig verstreut auf der kahlen Erde und sahen aus, als seien sie mit einer Handvoll vierzölliger Stifte für ein paar Wochen zusammengenagelt. Man war überrascht, wenn man eintrat, sie so sauber und wohnlich zu finden, duftend nach arabischen Wohlgerüchen, ausgestattet mit Teppichen und Vorhängen, Messing- und Silberkesseln, Schwertern mit Elfenbeingriffen und feinen Klingen. Die Somalifrauen hatten ein würdiges und höfliches Benehmen, waren gastfrei und heiter; ihr Lachen klang wie silberne Glöckchen. Ich war ein häufiger Gast in der Somalistadt – mein Diener Farah Aden, der mich während meiner ganzen Zeit in Afrika begleitete, war ein Somali –, und ich habe viele von ihren Festen mitgefeiert. Eine große Somalihochzeit ist eine prächtige Feier mit vielen alten Bräuchen. Als Ehrengast wurde ich in die Brautkammer geführt, wo die Wände und das Brautbett mit alten, edlen, farbensatten Geweben und Stickereien behangen waren und die dunkeläugige junge Braut selbst von schwerer Seide, Gold und Bernstein strotzte.
Die Somali waren allenthalben im Lande Viehhändler und Kaufleute. Für die Beförderung ihrer Waren hielten sie sich in der Stadt kleine graue Esel; auch Kamele habe ich dort gesehen: stolze wetterfeste Geschöpfe der Wüste, erhaben über alles Leid, wie Kakteen, ja, wie die Somali selbst.
Die Somali bringen sich oft selbst ins Unglück durch ihre grimmigen Sippenfeindschaften. In der Beziehung empfinden und urteilen sie anders als die übrigen Menschen. Farah gehörte zur Sippe der Habr Junis, so daß ich selbst bei einem Streit deren Partei ergriff. Einmal kam es zu einer richtigen großen Schlacht in der Somalistadt, zwischen den zwei Sippen Dulba Hantis und Habr Chaolo; es wurde geschossen. Häuser wurden in Brand gesteckt und zehn oder zwölf Leute getötet, bis die Regierung eingriff. Farah hatte damals einen jungen Freund aus seiner Sippe, Said mit Namen, der ihn auf der Farm besuchte. Er war ein anmutiger Knabe, und mir tat es leid, als ich von meinen Leuten hörte, Said sei bei einer Familie der Habr Chaolo zu Besuch gewesen, als einer von der Sippe Dulba Hantis im Vorbeigehen aus Wut aufs Geratewohl zwei Schüsse durch die Hauswand feuerte, deren einer Said das Bein zerschmetterte. Ich sagte Farah, daß mir das Unglück seines Freundes naheginge. »Was? Said?« fuhr Farah auf. »Das ist ihm ganz recht geschehen. Warum muß er bei einem Habr Chaolo Tee trinken?«
Die Inder von Nairobi beherrschten das Geschäftsviertel der Eingeborenen im Basar, und die großen indischen Kaufleute Jevanjee, Suleiman Virjee, Allidina Visram besaßen ihre Villen am Rande der Stadt. Ihre Liebhaberei waren steinerne Treppenaufgänge, Balustraden und Vasen, die sie sich recht stümperhaft aus dem weichen Gestein der Gegend aushauen ließen, wie Bauwerke von Kindern aus roten gedrechselten Bausteinchen. Sie gaben Teegesellschaften in ihren Gärten mit indischen Kuchen im Stil der Villen; sie waren klug, weit gereist und sehr wohlerzogen. Aber die Inder in Afrika sind so eingefleischte Geschäftsleute, daß man nie weiß, ob man einem menschlichen Wesen gegenübersteht oder dem Oberhaupt einer Firma. Ich verkehrte in Suleiman Virjees Hause; als ich eines Tages auf den Gebäuden seines großen Warenhauses die Flagge halbmast wehen sah, fragte ich Farah: »Ist Suleiman Virjee tot?« – »Halb tot«, sagte Farah. »Setzt man denn hier die Flagge halbmast, wenn einer halb tot ist?« fragte ich. »Suleiman ist tot«, sagte Farah, »Virjee lebt.«
Bevor ich die Leitung der Farm übernahm, war ich eine eifrige Jägerin und bin manches Mal auf Safari ausgezogen. Aber als ich Farmerin wurde, hängte ich meine Gewehre in den Schrank.
Die Massai, das viehzüchtende Nomadenvolk, waren meine Nachbarn auf der Farm; sie lebten drüben auf dem anderen Flußufer. Zuweilen kam
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