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Jerry Cotton - 0592 - Ein Bettler macht kein Testament

Jerry Cotton - 0592 - Ein Bettler macht kein Testament

Titel: Jerry Cotton - 0592 - Ein Bettler macht kein Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
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umgestürzten Stühlen, die entsicherten 38er in den Händen. An der Tür entstand abermals ein Tumult, als die Kollegen hereinstürmten.
    Rosebud lag bei den Spielautomaten inmitten einer Blutlache, die sich ständig vergrößerte. Er war schwer getroffen, aber er war nicht tot. Als wir näher traten, stöhnte er und versuchte, den Kopf zu heben.
    »Bleiben Sie liegen, Rosebud!« sagte ich ruhig.
    Er starrte mich aus großen Augen an, dann brachte er so etwas wie ein Lächeln zustande. »Ich hätte Sie doch nicht Garrick überlassen sollen«, krächzte er, »Sie hatten recht, er ist ein Versager. Aber Sie kommen wieder zu spät, G-man.« Seine Stimme wurde leiser. »Ich — ich habe meinen Mann, Cotton, ich habe ihn… erwischt… aah…«
    Sein Blick irrte ab und schien sich noch im Todeskampf an einer bestimmten Stelle festzusaugen. Ich folgte ihm und sah die Beine eines Mannes hinter der Bar hervorragen.
    Es war Tom Harper. Sein spindeldürrer Körper lag flach ausgestreckt auf dem Boden. In seiner Stirn war ein kleines Loch. Gebannt starrte ich in sein Gesicht. Es war ein ganz bestimmter Ausdruck darin, eine Mischung aus Ungläubigkeit und Überraschung, so als ob Tom Harper bis zuletzt nicht gewußt hätte, warum er sterben mußte.
    Ich sagte es Phil, und er pflichtete mir bei.
    »Sieht ganz so aus«, meinte er, »ich frage mich sowieso, was Harper mit der Geschichte zu tun hatte. Wenn er der Mann war, den wir suchten, warum hat er sich dann nicht bei uns gemeldet?«
    »Weil er überhaupt keine Ahnung hatte, daß es um seinen Kopf ging«, sagte eine Stimme hinter mir. Ich fuhr herum. Den Mann hatte ich noch nie im Leben gesehen.
    »Woher wissen denn Sie das?« fragte ich unwirsch. »Ich glaube, wir müssen uns einmal näher unterhalten, Mister.«
    »Ich heiße Edwards, Jake Edwards.«
    ***
    Die Aussagen des blinden Edwards lösten zwar nicht alle, aber doch die meisten Rätsel dieser blutigsten aller Blutrachen, die New York je erlebt hatte. Die Zeitungen überboten sich wochenlang gegenseitig in ihrer Berichterstattung.
    Unklar ist bis heute, wie sich Harper vom Tag der Ermordung Tates bis zur tödlichen Schießerei mit Rosebud verhielt. Die Zeugenvernehmungen brachten uns nicht weiter, da er weder Familie noch sonst jemand hatte, dem er sich anvertraute. So waren wir auf Mutmaßungen angewiesen, aus denen wir schließlich folgendes rekonstruierten: Harper wußte vermutlich nicht, daß die Mundharmonika des alten Tate einst Johnny Philips gehört hatte, dem Mann, den er an die Polizei ausgeliefert hatte. Ob er von der Existenz eines Bruders, Ernie Philips alias Rosebud, etwas gewußt hatte, ist ebenfalls ungewiß.
    Als dann Riddle und Tybell ermordet wurden, begann er sich Gedanken zu machen. Vielleicht ahnte er schon, daß hier ein geheimnisvoller Rächer am Werk war. Aber er machte sich darüber keine Sorgen, da er seinen Verrat an Johnny dessen früheren Komplicen untergeschoben hatte. Ihm konnte also nichts passieren.
    Gäste aus seinem Lokal berichteten, daß Harper an dem Abend, an dem die Zeitungen unseren Aufruf brachten, sehr nervös gewesen sei. Nun da er wußte, daß Johnnys Bruder der Rächer war, fühlte er sich doch nicht recht wohl in seiner Haut. Aber er setzte alles auf seinen Trumpf: Rosebud konnte unmöglich wissen, daß es Tom Harper gewesen war, der seinen Bruder verraten hatte. Den einzigen Mitwisser, Jake Edwards, hielt der dürre Wirt für tot. Und der Mann, der sich untfer Polizeischutz begeben sollte, mußte seiner Ansicht nach der Buchmacher Bartleby gewesen sein. Von dessen Selbstmord wußte Harper nichts. Ron Bartleby war der einzige, der noch in Frage kam.
    Daher die Überraschung auf seinem Gesicht, als wir ihn fanden. Den Zeugenaussagen nach hat Rosebud sofort geschossen, nachdem er sich bei einem Gast vergewissert hatte, daß der Mann hinter der Bar Tom Harper war.
    Sein erster Schuß hatte jedoch das Ziel verfehlt, so daß der Wirt Gelegenheit hatte, eine Pistole aus einer Schublade zu reißen. Er streckte Rosebud mit der ersten Kugel nieder, traf ihn aber nicht tödlich. Während er zum zweitenmal feuerte, fuhr ihm Rosebuds Geschoß in den Kopf. Der sterbende Rosebud feuerte noch mehrmals blindlings in seine Richtung, bevor wir hinzukamen.
    Dies war für uns die offizielle Version, wenn auch die Zeitungen Tom Harper die tollsten Dinge anhängten. Mehr noch als die Spekulationen über Harper beschäftigte mich etwas anderes. Bis zum heutigen Tag habe ich keine Ahnung, wer uns

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