Jerry Cotton - 0592 - Ein Bettler macht kein Testament
irgendwo in der Nähe sein. Er war nicht der Mann, der sie einfach in ein Auto setzte und verschwand. Was zum Teufel hatte er also vor?
Jims weitere Überlegungen wurden dadurch unterbrochen, daß er Schritte vernahm, die sich dem Wagen näherten. Garrick! Es war also soweit. Garrick kam, um sie zu holen, und Hillers wußte, daß sie alle drei nicht mehr lange zu leben hatten. Was ihn betraf, so nahm er sich allerdings vor, um jede Sekunde wie ein Löwe zu kämpfen. Viel hatte er ohnehin nicht zu verlieren.
Die Schritte hatten den Wagen erreicht. Jemand öffnete die linke Vordertür und streckte den Kopf herein. Jim rührte sich nicht, erkannte jedoch durch seine halbgeschlossenen Lider das Profil von Ritchie Garrick, der sich am Armaturenbrett zu schaffen machte. Dann zog Garrick rasch den Kopf zurück und warf die Tür ins Schloß. Jim Hillers hatte plötzlich das Gefühl, daß der Wagen rollte. Er hatte sich nicht getäuscht. Immer schneller wurde das schwere Fahrzeug, wie er entsetzt feststellte. Die Straße war abschüssig, und Garrick hatte die Handbremse gelöst!
Im Bruchteil einer Sekunde war sich Hillers über zwei Dinge klar: Erstens: der Benzingestank kam nicht von ungefähr. Jemand mußte den Wagen mit Benzin übergossen haben. Zweitens: er mußte so schnell wie möglich hier heraus, wenn er nicht bei lebendigem Leib verbrennen wollte. Ein teuflischer Plan, den sich Garrick da ausgedacht hatte! Auf den ersten Blick mußte es wie ein Unfall aussehen: ein ausgebrannter Wagen, und drinnen die verkohlten Leichen von drei Männern.
Jim spannte alle Muskeln an. Bei seinem Vorhaben konnte er sich das Genick brechen, aber das war immer noch besser, als in den Flammen umzukommen. Er stieß die Tür auf und schnellte hinaus, wobei er die Arme schützend über seinen Kopf hielt. Hart schlug sein Körper auf den steinigen Boden auf, und zum zweitenmal in dieser Nacht verlor der Gangster Jim Hillers die Besinnung.
Er war keine Sekunde zu früh ausgestiegen. Der Wagen hatte die Straße verlassen und schoß in rasender Fahrt eine Böschung hinab. Die letzten Meter fielen steil ab. Das Auto überschlug sich mehrmals und prallte gegen einen Felsbrocken. Im Nu war es eine lodernde Fackel. Jim hörte die ohrenbetäubende Detonation nicht mehr.
***
»Kannst du dir einen Reim auf die Geschichte machen?« fragte Phil, während sich mein Jaguar durch den Abendverkehr am Broadway kämpfte. »Wenn Harper, der schmierige Wirt, uns keinen Bären aufgebunden hat, dann hatte der Alte das Ding von einem Sterbenden bekommen, und zwar mit dem Auftrag, es an einen Dritten weiterzugeben. Und für diesen geheimnisvollen Dritten muß die Mundharmonika ungeheuer wertvoll sein. So wertvoll, daß er dafür sogar einen Menschen umbringt.«
»Gut kombiniert, alter Junge«, sagte ich, »aber da sind noch einige Dinge, die geklärt werden müssen. Woher willst du zum Beispiel wissen, daß es dieser sogenannte Dritte war, der Whistling Tate erstochen hat? Nach Harpers Worten geschah die Sache mit dem Sterbenden vor etwa zehn Jahren. Da müßte der große Unbekannte dem alten Tate doch dankbar sein, daß er nach so langer Zeit noch an die Mundharmonika kommt. Ein Messer in der Brust ist aber ein ziemlich schlechter Dank.«
Phil fuhr sich nachdenklich über den Haarschopf. »Dann muß es wohl noch einen weiteren Interessenten geben.«
»Paß auf, Phil! Mit deiner Rekonstruktion bin ich völlig einverstanden. Die Mundharmonika ist also wertvoll, daß heißt, es muß etwas Wertvolles in ihr verborgen sein. Vielleicht wichtige Aufzeichnungen. Mit Hilfe von Mikrofilmen lassen sich in so einer Mundharmonika die Konstruktionspläne eines ganzen Flugzeugträgers unterbringen.«
»Die dürften aber heute längst nicht mehr soviel wert sein wie vor zehn Jahren«, bemerkte Phil.
»Natürlich nicht. Es sollte ja nur ein Beispiel sein. Was in dem Instrument war oder ist, erscheint mir im Augenblick ohnehin zweitrangig. Viel nützlicher wäre es zu wissen, für wen es bestimmt war.« Phil ergänzte: »Am besten, wir stellen zunächst einmal fest, wer Tate die Mundharmonika gegeben hat.«
»Nichts leichter als das«, flachste ich zurück, »wir brauchen ja nur so lange alle Bürger der USA zu befragen, bis wir an den richtigen kommen…«
***
Shirley Riddle schaute besorgt zu ihrem Mann hinüber. »Ist irgend etwas, Fred?«
»Nein, nein, es ist alles in Ordnung«, entgegnete Fred Riddle aus der Tiefe eines bequemen Ledersessels heraus. Er schätzte
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