Jerry Cotton - 2927 - Ueberfahrt ins Grab
am Kopf abzeichneten. Anna Roades war in einem sehr kritischen Geisteszustand und ich suchte verzweifelt den Blickkontakt zu Agent Thomas. Jedes weitere Wort konnte zu einer gefährlichen Trotzreaktion seiner Partnerin führen, und wie die aussehen würde, darüber hegte ich keine Zweifel.
»Werft die Waffen weg oder er stirbt auf der Stelle«, befahl Roades.
Sie drückte die Mündung der Pistole dermaßen hart gegen Phils rechte Wange, dass sich bereits eine Rötung erkennen ließ. Meine SIG polterte zu Boden, doch der Kollege von der ICE behielt seine Waffe in der Hand. Gleichzeitig krümmte sich Roades’ Zeigefinger um den Abzug, doch das schien Agent Thomas alles nicht zur Kenntnis zu nehmen.
»Provozieren Sie sie nicht«, raunte ich.
Im Haus war es still geworden. Kein Schuss fiel mehr und auch keine lauten Kommandos wurden gebrüllt. Die Cops hatten augenscheinlich den Widerstand niedergerungen und mussten jetzt hilflos zusehen, wie Agent Thomas und ich mit der Geiselnahme fertig wurden.
»Du redest dummes Zeug, Anna! Nur weil die Familie deines Mannes bei einem brutalen Überfall kurdischer Terroristen umgekommen ist, berechtigt es weder ihn noch dich zu eigenen Terrorakten«, sagte Agent Thomas.
Bei jedem seiner Worte zuckte es im Gesicht von Anna Roades. Ich vermochte nicht abzuschätzen, wie lange ihre Nerven es noch aushalten konnten.
»Lassen Sie endlich die Waffe fallen!«, fauchte ich.
Agent Thomas und Anna Roades schauten mich gleichermaßen überrascht an. Sie hatten für einen Augenblick Phil und mich total vergessen. Schließlich öffnete Thomas seine Hand und auch seine Pistole fiel zu Boden. Auf den Wink seiner ehemaligen Partnerin hin stieß ich beide Waffen mit der Schuhspitze weg. Roades konnte nicht wissen, dass ich noch einen Trumpf im Ärmel oder besser gesagt im Gürtel hatte.
***
Was dann folgte, war eine Eruption, wie ich sie selten erlebt hatte. Anna Roades nahm die Waffe runter und machte zwei Schritte auf mich zu. Was hatte sie vor? Wollte sie zuerst mich und dann Agent Thomas ausschalten?
»Ihr habt nicht die geringste Ahnung, worum es überhaupt geht! Wieso erdreistest du dich zu bestimmen, was richtig oder falsch ist?«
Ihre Stimme wechselte von kaum hörbarem Flüstern zu einem schmerzenden Kreischen. Bevor ich etwas erwidern konnte, packte Phil zu und rang der sich nicht mehr großartig wehrenden Frau die Waffe aus der Hand. Gleichzeitig riss ich die Beretta aus dem Gürtel und richtete die Mündung auf Anna Roades, die mich abschätzend anstarrte.
»Sie können mich aufhalten, aber nicht die gesamte Bewegung«, stieß sie hervor.
»Wir haben Cem Yildiz und seine Komplizen in New York bereits verhaftet«, antwortete ich.
Roades blinzelte verwirrt und klappte den Mund wieder zu, obwohl sie gerade weiterreden wollte.
»Und damit ist es ausgestanden? Glauben Sie das wirklich, Agent Cotton?«, fragte sie dann.
Erneut wechselte ihre Gemütslage und sie überschüttete mich mit Spott. In ihrer Vorstellung existierte eine unüberschaubare Gruppe Gleichgesinnter, die an ihre und Cem Yildiz’ Stelle treten würden. In ihren Augen ging es um die Bildung eines großtürkischen Reiches, und dafür benötigte die Bewegung zunehmend mehr Geld.
»Amerika ist ein Moloch, der uns Türken unterdrücken will. Dafür lassen wir euch büßen und verkaufen Drogen und Waffen an eure Kinder«, höhnte Roades.
Sie verriet uns freiwillig den gesamten Hintergrund, der zum Teil kruder Unsinn war. Aus den Nachforschungen in Bezug auf die Grauen Wölfe konnte ich deren Gefährlichkeit besser einschätzen. Natürlich konnte diese Organisation in gewissem Maße, wie etwa beim Einstieg in regionale Drogenmärkte, unserem Land schaden. Doch sie war bei weitem nicht die riesige Bewegung, für die Anna Roades sie offenbar hielt.
»Mein Mann wird seine Familie rächen und danach wird nie wieder jemand so abwertend über unsere Nation zu sprechen wagen«, schloss sie ihre Tirade.
Die Cops hatten mittlerweile die verletzten Gangster versorgt und die anderen abtransportiert. Die wenigen Zellen auf dem Revier in Bar Harbor würden für einige Tage gut belegt sein.
»Warum musste Herbert Monroe sterben? Er unterstützte Ihr Vorhaben doch«, fragte ich.
Roades schnaubte verächtlich auf.
»Der Feigling wollte in den kommenden Wochen keine Leute mehr über die Fähre einschmuggeln. Monroe bekam kalte Füße und wollte mir auch keinen anderen Ansprechpartner nennen«, erwiderte sie.
Das konnte
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