PR TB 118 Planet Der Kidnapper
1.
Weihnachten im Jahre 3443 terranischer Zeitrechnung.
Obwohl der Sinn des Festes, wenn auch nicht vergessen, so doch
zumindest in seiner ursprünglichen Form weitestgehend
abgewandelt war, wurde es noch immer gefeiert. Immer noch war es
üblich, seinen Mitmenschen kleine Geschenke zu überreichen
und Verwandte zu besuchen, wenn diese nicht gerade ein paar tausend
Lichtjahre zu weit entfernt waren.
Auf dem Zentralplaneten des Solaren Imperiums, auf der Erde,
arbeiteten zwischen Weihnachten und Neujahr nur die wichtigsten
Dienststellen.
Es war die Zeit des Urlaubs, der Erholung, die Periode der
Vorbereitung auf ein neues Jahr.
Der Planet Tahun, das medizinische Zentrum der USO, bildete da
keine Ausnahme. Auf dem erdähnlichen Planeten gab es nur große
Hospitäler, riesige Parks und in den Bergen oder an Seen
gelegene Erholungssiedlungen. Es gab keine überflüssige
Technik, sondern fast nur naturbelassene Landschaften. Der
Überlandverkehr wurde durch Elektrobahnen oder Gleiter
bewältigt.
Die Hauptbewohner von Tahun waren Kranke und Genesende. In der
ganzen Milchstraße gab es keine Welt, auf der die medizinischen
Einrichtungen so vollkommen und lückenlos gewesen wären wie
auf Tahun. Die besten Ärzte standen zur Verfügung, und die
modernsten Heilmethoden wurden hier in letzter Vollendung
praktiziert.
Die Kosmo-Orthopädische Klinik war eine der vielen hundert
Kliniken von Tahun. Sie bot Platz für dreitausend Patienten, war
aber zu dieser Zeit nicht voll besetzt.
Chefarzt Dr. Truc Rotkel konnte zufrieden sein. Es sah nicht so
aus, als könne etwas seine geplante Weihnachtsferien über
den Haufen werfen. Außerdem war da noch sein Assistenzarzt Dr.
LeFink, treu und zuverlässig, und vor allen Dingen ungemein
tüchtig. Nach einem ausgedehnten Herrenabend hatte sich LeFink
bereit erklärt, seinen Urlaub im Hospital zu verbringen.
Natürlich wußte Rotkel als guter Psychologe, daß
nicht reine Menschenfreundlichkeit der Grund für dieses
Entgegenkommen war, sondern höchstens Schwester Mathilde, die
erst kürzlich auf Tahun eingetroffen war und sich sehr erfreut
darüber zeigte, daß sich LeFink ihrer ein wenig annahm.
Rotkel war das egal. Die Hauptsache blieb, daß er Urlaub
machen konnte. Sein Ziel waren die Boldenberge, fünfzig
Kilometer von der Klinik entfernt, wo es saftiggrüne Almweiden
gab.
Diese Weiden waren das Hauptmotiv für die Wahl seines
Ferienziels.
Dr. Truc Rotkel war vierundfünfzig Jahre alt, hatte eine
Glatze mit schütterem Haarkranz, wasserblaue Augen und eine
massige Figur. Er war dafür bekannt, keinen Alkohol zu
vertragen, da er aber trotzdem seinen hin und wieder auftauchenden
Kummer mit einem guten Schluck zu ertränken versuchte, geschah
es immer wieder, daß sein cholerischer Charakter zum Durchbruch
kam. Dann war es gut, möglichst weit von ihm entfernt zu sein.
Sein Personal konnte natürlich nicht einfach davonlaufen,
wenn er einen seiner Wutanfälle bekam. Da es ihn jedoch kannte,
fand es bald heraus, wie man sich in solchen Fällen zu verhalten
hatte. Ruhig sitzen und zuhören, ab und zu verständnisvoll
und reumütig nicken, wenn der Dicke, wie er heimlich genannt
wurde, mal wieder eine psychologische Weisheit zum besten gab, die
sich zwar meist gut und auch logisch anhörte, aber garantiert
falsch war.
Nach dem Züchten von Rosen war die Psychologie Rotkels
zweites Hobby. Er verbreitete ausgesprochen volkstümliche
Theorien über die menschliche Verhaltensweise, die leider nicht
immer richtig waren, und so war es auch kein Wunder, wenn seine
Analysen nicht stimmten. Er predigte sie insbesondere jenen, die sie
gar nicht hören wollten.
Es gab eine Menge von Geschichten über den Chefarzt, und
nicht alle waren übermäßig lustig. So wurde zum
Beispiel sein sagenhafter Geiz bemängelt, den er mit Vorliebe
immer dann demonstrierte, wenn es nicht angebracht war. Es gab Leute,
die allen Ernstes behaupteten, er sähe nur deshalb so selten auf
seine Uhr, weil er befürchtete, davon könnten die Zeiger
vorzeitig abgenutzt werden.
Ein Assistent hatte ihn einmal seiner Figur wegen einen »Sack
voller Austern mit einem Schnürchen darum« genannt. Das
war natürlich eine unverschämte Übertreibung, und der
vorlaute Jungarzt hatte es auch bitter bereuen müssen. Man hatte
ihn versetzt.
Und schließlich hatte Rotkel noch ein drittes Hobby, und
dieses Hobby hieß Gesine.
Gesine war der Grund für die Wahl des Ferienaufenthalts.
Gesine erinnerte in ihrem Aussehen an eine
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