Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
Kaisers – vor allem aber wurde er der wichtigste Geschichtsschreiber Jerusalems.
Josephus war Sohn eines Priesters, der von den Makkabäern abstammte, ein judäischer Grundbesitzer, und wuchs in Jerusalem auf, wo er wegen seiner Bildung und Klugheit bewundert wurde. Als Jugendlicher probierte er drei große jüdische Sekten aus und schloss sich sogar einigen Asketen in der Wüste an, bevor er nach Jerusalem zurückkehrte.
Als er in Rom eintraf, nahm Josephus Kontakt mit einem jüdischen Schauspieler auf, der die Gunst des bösartigen, aber schauspielbegeisterten Kaisers genoss. Nero hatte seine Frau getötet und sich in Poppaea verliebt, eine verheiratete Schönheit mit rotem Haar und blassem Teint. Sobald sie Kaiserin war, gab sie Nero das nötige Selbstbewusstsein, um seine boshafte Mutter Agrippina zu töten. Poppaea wurde aber auch eine der halbjüdischen »Gottesfürchtigen«. Über seinen Schauspielerfreund drang Josephus zur Königin durch, die ihm half, die Freilassung seiner Freunde zu erwirken. Josephus hatte sich gut geschlagen, aber als er und seine Freunde nach Jerusalem zurückkamen, mussten sie feststellen, »dass gar viele sich mit dem verwegenen Gedanken trugen, von den Römern abzufallen«. Eine Revolte war aber nicht unabwendbar: Die Bekanntschaft des Josephus mit Poppaea zeigt, dass noch Verbindungen zwischen Rom und Jerusalem bestanden. Alljährlich strömten unzählige jüdische Pilger in die Stadt, ohne dass es Schwierigkeiten gab, obwohl nur eine römische Hilfskohorte (600 bis 1200 Mann) in der Burg Antonia stationiert war. Die reiche Tempelstadt lebte in Frieden und Wohlstand unter einem jüdischen Hohepriester, der von einem jüdischen König ernannt wurde. Erst jetzt wurde der Tempel fertiggestellt, was 18 000 Bauarbeiter arbeitslos machte. Daher schuf König Agrippa für sie Arbeit, indem er neue Straßen bauen ließ. [74]
Ein gewissenhafterer Kaiser oder ein gerechterer Prokurator hätte jederzeit die Ordnung unter den jüdischen Gruppierungen wiederherstellen können. Solange Neros effiziente griechische Freigelassene das Reich verwalteten, waren seine Auftritte als Schauspieler und Athlet und sogar seine blutigen Säuberungsaktionen noch zu verkraften. Als aber die Wirtschaft zu versagen anfing, griff Neros Unfähigkeit auf Judäa über; von seinem dortigen Prokurator sagte Josephus: »denn keine Schändlichkeit gab es, die er nicht verübt hätte«. In Jerusalem betrieb der aktuelle Amtsinhaber ein reges Geschäft mit seinem Protektionismus und nahm Bestechungsgelder von den Adeligen, deren räuberisches Gefolge die Stadt ebenso terrorisierte wie die Sikarier. Kein Wunder, dass ein weiterer Prophet, der ironischerweise Jesus hieß, lauthals im Tempel verkündete: »Wehe dir, Jerusalem!« Man hielt ihn für einen Verrückten, geißelte ihn, tötete ihn aber nicht. Antirömische Ressentiments stellte Josephus allerdings kaum fest.
Rom brannte 64 n.Chr. nieder. Vermutlich leitete Nero die Feuerbekämpfung und öffnete seine Gärten für alle, die ihre Bleibe verloren hatten. Verschwörer behaupteten jedoch, Nero habe den Brand gelegt, damit er einen größeren Palast bauen könne, und er habe die Löscharbeiten vernachlässigt, weil er Leier gespielt habe. Nero wiederum gab die Schuld der rasch wachsenden halbjüdischen Sekte, den Christen, und ließ viele von ihnen lebendig verbrennen, von wilden Tieren in Stücke reißen oder kreuzigen. Unter seinen Opfern waren zwei, die man Jahre zuvor in Jerusalem verhaftet hatte: Petrus wurde angeblich mit dem Kopf nach unten gekreuzigt, Paulus enthauptet. Neros Christenverfolgung trug ihm einen Platz in der Offenbarung ein, dem letzten Buch im Kanon des Neuen Testaments: Die »beiden Tiere« Satans sind die römischen Kaiser, und 666, die Zahl des Tieres, ist vermutlich ein Code für Nero. [75]
Die ausgefallenen Foltermethoden, die Nero für die Christen ersann, retteten ihn nicht. Zu Hause trat er der schwangeren Kaisern Poppaea so brutal in den Bauch, dass sie daran starb. Während der Kaiser reale und eingebildete Feinde tötete und seine Schauspielerkarriere vorantrieb, trug sein neuester Prokurator in Judäa, Gessius Florus, »seine Frevel gegen das Volk prahlerisch zur Schau«. Die Katastrophe begann in Caesarea: Syrische Griechen opferten vor der Synagoge ein Hähnchen; die Juden protestierten. Florus wurde bestochen, die Nichtjuden zu unterstützen, und marschierte nach Jerusalem, um eine Abgabe von 17 Talenten vom Tempel
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