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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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verstorbenen Agrippa, König Herodes von Chalkis, das Recht, Hohepriester zu ernennen und den Tempel zu leiten. In den folgenden 25 Jahren unterstand Jerusalem einer zwiespältigen Partnerschaft aus Prokuratoren und Herodierkönigen; allerdings konnten sie die Turbulenzen nicht beilegen, die durch einige prophetische Scharlatane, ethnische Konflikte zwischen Griechen, Juden und Samaritanern und die wachsende Kluft zwischen der reichen, prorömischen Elite und den ärmeren religiösen Juden entstanden.
    Die Judenchristen, die Nazoräer, unter der Führung von Jesu Bruder Jakobus und ihre sogenannten presbyteroi oder Ältesten, hielten sich in Jerusalem, wo die ursprünglichen Jünger als Juden im Tempel beteten. Aber Jesus war keineswegs der letzte Prediger, der die römische Ordnung in Frage stellte: Josephus listet eine ganze Flut von Pseudopropheten auf, die größtenteils von den Römern hingerichtet wurden.
    Die Prokuratoren trugen nicht gerade zur Verbesserung der Lage bei. Wie Pilatus reagierten sie auf diese Hochblüte der Propheten mit Massakern an deren Anhängern und zogen zugleich Gewinne aus der Provinz. Als einmal ein römischer Soldat am Passahfest in Jerusalem den Juden sein entblößtes Hinterteil zeigte, brachen Unruhen aus. Der Prokurator setzte Soldaten ein, die eine Massenpanik auslösten, bei der Tausende in den engen Gassen zu Tode gequetscht wurden. Als einige Jahre später Kämpfe zwischen Juden und Samaritanern ausbrachen, kreuzigten die Römer zahlreiche Juden. Beide Seiten appellierten an Rom. Die Samaritaner hätten Erfolg gehabt, hätte der junge Herodes Agrippa, der in Rom erzogen wurde, nicht Claudius’ einflussreiche Ehefrau Agrippina für sich gewonnen: Der Kaiser unterstützte nicht nur die Juden, sondern befahl, den schuldigen römischen Tribun in Jerusalem öffentlich zu demütigen und hinzurichten. Wie sein Vater bei Caligula war auch Agrippa II. nicht nur bei Claudius beliebt, sondern auch bei dessen Nachfolger, Nero. Als sein Onkel, Herodes von Chalkis, starb, erbte Agrippa dessen libanesisches Königreich und die besonderen Befugnisse über den Tempel in Jerusalem.
    In Rom vergiftete Agrippina den mittlerweile senilen Claudius angeblich mit einem Pilzgericht. [71] Der neue jugendliche Kaiser Nero übertrug Agrippa II. weitere Territorien in Galiläa, Syrien und dem Libanon. Aus Dankbarkeit benannte Agrippa seine Hauptstadt Caesarea Philippi um in Neronias und brachte seine Verbundenheit mit Nero mit der Aufschrift »Philo-Caesar« auf seinen Münzen zum Ausdruck. Neros Prokuratoren waren jedoch korrupt und ungeschickt. Zu den schlimmsten gehörte Antonius Felix, ein bestechlicher griechischer Freigelassener, der, laut Tacitus, »in jeglicher Form von Grausamkeit und Willkür das Recht eines Königs in dem Geiste eines Sklaven ausübte«. Da er der Bruder von Claudius’ und (zeitweise) Neros Sekretär war, konnten die Juden sich nicht mehr an Rom wenden. König Agrippas skandalöse Schwestern personifizierten die Korruption der Elite. Drusilla, »die sich durch hohe Schönheit auszeichnete«, war mit dem arabischen König von Emesa verheiratet; kaum lernte Marcus Antonius Felix sie kennen, »als er auch schon in heftiger Liebe zu ihr entbrannte«. Da sie unglücklich war und »dem Neide ihrer Schwester Berenike« entkommen wollte, lief sie mit Felix davon. Berenike, die (durch Ehe mit ihrem Onkel) Königin von Chalkis war, verließ ihren derzeitigen Ehemann, den König von Kilikien, um bei ihrem Bruder zu leben: Römische Gerüchte munkelten von Inzest. Während Felix Judäa finanziell auspresste, begann »eine andere Art von Banditen«, die man (wegen ihrer römischen Kurzdolche, sica , von denen sich das Wort Sichel ableitet) Sikarier nannte, mitten in Jerusalem Angehörige der jüdischen Elite bei Festen zu ermorden – ihr erster Erfolg war der Mord an einem ehemaligen Hohepriester. Konfrontiert mit ethnischen Gemetzeln und immer neuen »falschen Propheten«, hatte Felix Mühe, den Frieden zu bewahren und sich zugleich zu bereichern.
    Mitten in diesen apokalyptischen Wirren war die kleine Jesus-Sekte nun gespalten zwischen ihren jüdischen Anführern in Jerusalem und ihren heidnischen Anhängern in anderen Teilen der römischen Welt. Der dynamischste und radikalste Anhänger Jesu, der mehr als jeder andere dazu beitragen sollte, eine neue Weltreligion zu prägen, kehrte nach Jerusalem zurück, um die Zukunft des Christentums zu planen.
    Paulus von Tarsus: Der Schöpfer des

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