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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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nach zwei Kampftagen auf einer schmalen Straße, überall Schüsse in der Luft, und plötzlich kommst du auf diesen weiten offenen Platz, den jeder schon mal auf Bildern gesehen hat«, schrieb Nachrichtenoffizier Arik Akhmon, »und obwohl ich nicht religiös bin, gab es, glaube ich, keinen, der nicht von Gefühlen überwältigt war. Etwas Besonderes war passiert.« Es kam zu einem kurzen Gefecht mit jordanischen Truppen, bevor Gur über Funk meldete: »Der Tempelberg ist in unserer Hand!«
    Am Berg Zion durchbrach unterdessen eine Kompanie der Jerusalem-Brigade ein Portal des Ziontores, stürmte das armenische Viertel und drang hügelabwärts vor ins jüdische Viertel, während Soldaten derselben Einheit das Dungtor einnahmen. Alle kämpften sich Richtung Westmauer vor. Auf dem Tempelberg wussten Gur und seine Fallschirmjäger nicht, wie sie zur Mauer kommen sollten, aber ein alter Araber zeigte ihnen das Maghrebtor, und so trafen alle drei Einheiten gleichzeitig an der heiligen Stätte ein. Rabbi Shlomo Goren, der Oberrabbiner der israelischen Armee, ging mit Schofar und Thora an die Mauer und begann, den Kaddisch, das Trauergebet, zu sprechen; die Soldaten beteten, weinten, applaudierten, tanzten, und einige sangen die neue Stadthymne »Jerusalem aus Gold«.
    Um 14.30 Uhr kam Dayan mit Rabin und Narkiss in die Stadt, und ging vorbei an brennenden Panzern durch »völlig menschenleere Straßen, eine gespenstische Stille, durchbrochen von Heckenschützenfeuer. Ich musste an meine Kindheit denken«, sagte Rabin. Als sie sich der Kleinen Mauer, Kotel, näherten, empfand er »schiere Erregung«. Auf dem Weg über den Tempelberg sah Dayan eine israelische Flagge auf dem Felsendom und befahl, sie umgehend zu entfernen. Rabin verschlug es den Atem, als er die »schmutzigen, kampfesmüden Männer mit Tränen in den Augen« sah, aber »es war nicht der Zeitpunkt zu weinen – ein Moment der Erlösung, der Hoffnung«.
    Rabbi Goren wollte den Anbruch des messianischen Zeitalters beschleunigen und die Moscheen auf dem Tempelberg sprengen, aber General Narkiss befahl: »Aufhören!«
    »Sie werden durch diese Tat in die Geschichtsbücher eingehen«, sagte Rabbi Goren.
    »Ich habe meinen Namen bereits auf den Seiten der Geschichte Jerusalems eingetragen«, erwiderte Narkiss.
    »Das war der Höhepunkt meines Lebens«, erinnerte sich Rabin später. »Jahrelang hatte ich im Stillen davon geträumt, eine Rolle dabei zu spielen, wenn die Westmauer dem jüdischen Volk zurückgegeben wird. Jetzt war dieser Traum wahr geworden, und plötzlich fragte ich mich, wieso ausgerechnet ich so privilegiert war.« Rabin fiel die Ehre zu, diesem Krieg einen Namen zu geben: Bescheiden und würdig, knurrig und lakonisch wie immer entschied er sich für die schlichte Bezeichnung: Sechstagekrieg. Nasser nannte ihn anders: al-Naksa, die Umkehrung.
    Dayan schrieb auf ein Stück Papier: »Möge der Frieden dem ganzen Haus Israel zuteil werden« und steckte es zwischen die herodianischen Hausteine. Anschließend erklärte er: »Wir sind zu unseren heiligsten Stätten zurückgekehrt und werden uns nie wieder von ihnen trennen.« Allerdings fügte er hinzu – immer der Israeli, der die Araber am meisten respektierte und von ihnen am meisten geachtet und Abu Musa (Moses’ Sohn) genannt wurde: »Unseren arabischen Nachbarn reicht Israel die Freundeshand, den Gläubigen aller Bekenntnisse sagen wir volle Religionsfreiheit zu. Wir sind nicht gekommen, um die heiligen Stätten anderer zu besetzen oder um ihre religiösen Rechte einzuschränken, sondern um die Einheit dieser Stadt sicherzustellen und einträchtig mit allen anderen in ihr zu leben.« Als er ging, pflückte er einige wilde zartrosa Alpenveilchen, die in den Ritzen der Mauer und des Maghrebtores wuchsen, um sie seiner leidgeprüften Frau mitzubringen.
    Dayan dachte eingehend über Jerusalem nach und entwickelte seine eigene Politik. Zehn Tage später kam er wieder in die al-Aqsa-Moschee, saß in Socken mit dem Scheich des Haram und der Ulema zusammen und erklärte, dass Jerusalem nun Israel gehöre, aber der Waqf den Tempelberg weiter verwalten solle. Die Juden konnten zwar nach 2000 Jahren den Har ha-Bayit wieder besuchen, durften aber nicht dort beten. Dayans staatsmännische Entscheidung hat bis heute Bestand.
    Präsident Nasser trat vorübergehend zurück, gab aber die Macht nie völlig aus der Hand und verzieh sogar seinem Freund Amer. Der Feldmarschall plante später jedoch einen Staatsstreich

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