Kühle Rache - heißes Herz
PROLOG
“Macon McCann sucht eine Braut per Anzeige? So etwas sollte doch verboten werden.” Hester Moody schüttelte den Kopf. Sie zog sich den Blazer ihrer dunkelblauen Postuniform aus und rollte die Ärmel ihrer weißen Bluse hoch. Geschickt band sie ihr schulterlanges aschblondes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. Hester trank einen Schluck von dem Kaffee, den sie sich im Supermarkt gekauft hatte, und sah zu ihrer einzigen Kundin. Lois Potts vom Futtermittelladen schien sich nicht entscheiden zu können, welche Sondermarken sie nun kaufen wollte.
Lois war der letzte Mensch, mit dem Hester jetzt reden wollte, und das war auch verständlich, denn Lois und sie waren schon früher aneinandergeraten. Zum Glück war Lois gerade sehr beschäftigt, und so konnte Hester sich in Ruhe das pinkfarbene Briefpapier anschauen, das sie sich vorhin gekauft hatte, zusammen mit der Zeitschrift
Texas Men.
“Nicht zu fassen, dass Macon auf diesem Weg eine Braut sucht”, murmelte sie.
Ihre hellblauen Augen blickten sehr ernst, als sie das Foto betrachtete, das den Mann in voller Größe zeigte, der der Vater ihres sechzehnjährigen Sohns war.
Reicher Rancher, männliches Prachtstück
stand unter dem Bild. “So etwas kann sich auch nur Macon als Bildunterschrift ausdenken”, flüsterte sie und verdrehte die Augen. Gleichzeitig ärgerte sie sich über sich selbst, weil sie ihn trotz allem noch so attraktiv fand.
Aber bei welcher Frau würde bei diesem Mann nicht sofort das Herz schneller schlagen?
Das Leinenhemd spannte sich über seinen muskulösen Schultern, und Macon hatte die obersten Knöpfe geöffnet. Seine breite gebräunte Brust, die kräftigen Arme und die schmalen Hüften waren Hester noch gut in Erinnerung. Auf dem Foto trug Macon eine neue Jeans und polierte Stiefel. Den Cowboyhut hielt er sich vor die Brust und lächelte dabei, als wollte er sagen, dass alle Frauen, die auf die Anzeige antworteten, ihm schon von vornherein das Herz brachen.
“Haare wie ein Engel, ein Charakter wie der Teufel”, stellte Hester verärgert fest. Das honigblonde Haar war leicht wellig, und es schimmerte so seidig, dass sie es am liebsten berührt hätte.
Entnervt seufzte sie. Macon sah aus wie jeder andere Cowboy. Abgesehen von seinen Augen. Sein scharfer Blick wirkte so durchdringend, dass jede Frau wie gebannt das dunkle Braun seiner Augen bewunderte.
Hester wurde klar, dass sie viel über Macon wusste, was man nicht mit der Kamera festhalten konnte. Ja, dachte sie, und fast jede andere Frau in Pine Hills. Sie fand es immer noch richtig, dass sie Macon nicht die Wahrheit über Cordy erzählt hatte. Aber in letzter Zeit befürchtete sie manchmal, dass ihr irgendetwas Schreckliches zustoßen könnte. Vor zwei Jahren war Bruce ganz unerwartet gestorben. Was war, wenn Cordy vielleicht nach ihrem Tod aus irgendeinem Grund die Wahrheit erfahren musste?
Hester verdrängte ihre Angst, die sie seit Bruce' Tod fast auffraß, und dachte angestrengt nach. Ach Bruce, dachte sie, wir beide wollten doch zusammen alt werden! Du solltest nicht sterben! Ebenso wenig wie Macon McCann sich hier in Pine Hills niederlassen und eine Frau heiraten sollte, die er über diese Zeitschrift kennengelernt hatte.
In Houston hatte Macon eine erfolgreiche Baufirma gegründet. Weshalb kehrte er zurück? Und warum setzte er gleich eine Anzeige in den
Texas Men
, um eine Frau zu suchen, wenn er doch ausreichend Gelegenheiten besaß, um auf anderem Weg eine Frau kennenzulernen.
Sie blickte zum Eingang. Draußen herrschte glühende Hitze, obwohl es noch Vormittag war, und die Leute standen Schlange vor
Happy Lick's Ice Cream Parlor
, um sich ein Eis zu kaufen.
“Guten Morgen, Hester, wie geht's?”
Das war Lois. Hastig schob Hester einen großen Umschlag über Macons Anzeige und alles andere, was sie auf dem Tresen ausgebreitet hatte, und nahm ihren Kaffeebecher von der Waage, damit Lois ihr Paket darauf legen konnte. “Bestens, Lois. Heute keine Briefmarken?”
“Ich konnte mich nicht entscheiden, welche ich nehmen soll.” Lois lachte geziert. “Bestimmt hast du gehört, dass Macon McCann wieder in der Stadt ist und mit allem ausgeht, was sich bewegt. Wart ihr beide nicht auf der Highschool befreundet?”
“Nur platonisch”, log Hester.
“Ich auch”, versicherte Lois ihr hastig.
Fast hätte Hester laut aufgelacht. “Wie ich gehört habe, seid ihr beide letzte Woche drüben in Opossum Creek zum Bowlen gewesen.” Sie konnte sich die Bemerkung
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