Jesses Maria - Hochzeitstag
kommen und zeterte:„Frau Jesse! Wir sind nicht länger bereit, den Dreck von Ihren Kindern hier wegzuputzen. Wie sieht denn das hier aus! Was soll denn einer denken, wenn einer kommt?“
Ich konterte und schlug denselben weinerlichen Ton an: „Frau Olschewski! In diesem Haus wohnen sechzehn Menschen, die alle das Treppenhaus benutzen müssen, wenn sie in ihre Wohnungen gehen wollen. Oder sollen wir etwa demnächst mit einer Strickleiter durchs Küchenfenster steigen, damit vor Ihrer Tür alles sauber bleibt?“
Sie reagierte nicht, streckte ihre Spinnenfinger aus und zeigte auf rosa Rollschuhe, die an den Briefkästen auf dem Boden standen.
„Und was soll das da? Können Sie das nicht mal wegräumen? Hier sieht es aus – das hat es hier noch nie gegeben!“
Ich wurde wütender: „Meine Söhne haben keine rosa Rollschuhe! Die gehören uns nicht!“
Die Olschewski schrie nun: „Wem denn wohl sonst? Die gehören da nicht hin, räumen Sie das weg!“
Ich merkte, dass ich mich nicht weiter provozieren lassen durfte und sagte betont arrogant: „Frau Olschewski, wir können so nicht weiterreden. Es fällt mir zu schwer, mich länger als zwei Minuten auf Ihr Niveau herabzubegeben ringen. Das sagte ich wirklich und ging erhobenen Hauptes die Treppe hinauf zurück in unsere Wohnung.
Mit den Gepflogenheiten des Hauses inzwischen vertraut, schloss ich jedoch unsere Wohnungstür nicht hinter mir, sondern lehnte sie an und lauschte. Tatsächlich, die Alte klingelte unten bei Vogts und fragte, wem die rosa Rollschuhegehörten. Die Töchter der Vogts hatten Besuch. Damit das Mädchen, das mit den Rollschuhen gekommen war, nicht damit durch das Treppenhaus lief, hatte Frau Vogt sie gebeten, unten die Rollschuhe auszuziehen. So, das war geklärt. Aber entschuldigt hat sich die Alte nicht bei mir. Der Terror ging dann erst richtig los.
Wenn die Kinder das Haus pfeifend verließen, wurde eine der Türen im Parterre aufgerissen und es wurde hinter ihnen hergerufen, was denn dieser entsetzliche Lärm solle.
Wenn die Kinder mehrmals am Tag mit ihren Fahrrädern wegfuhren und diese nicht jedes Mal in den Keller wuchteten, sondern vor dem Haus am Wegrand aufstellten, kam ein Brief von der Hausverwaltung.
Wenn es geregnet hatte und im Treppenhaus Fußspuren zu sehen waren, kam ein Brief von der Hausverwaltung, in dem auf den Treppenhausputzplan hingewiesen wurde.
Wenn die Kinder aus der Schule kamen, standen entweder die Olschewski oder die Schneeberg in ihren offenen Wohnungstüren und forderten die Kinder auf, jeden Krümel – aber sofort – wieder zu entfernen. Der Terror erreichte seinen Höhepunkt sechs Monate, nachdem wir eingezogen waren.
„Frau Jesse!“, erklang plötzlich hinter mir die Stimme der Olschewski, als ich auf dem Weg zur Arbeit das Haus verlassen wollte. Ich drehte mich um und wartete gespannt, was nun wieder kommen würde.
„Frau Jesse. Seit Sie hier wohnen, rauscht das Wasser immer so!“, klagte die Olschewski.
„In unserem Mietvertrag steht aber nichts davon, dass wirnicht baden und nicht pinkeln dürfen!“
„Frau Jesse, nein, das war früher nicht so! Ihr Wasser rauscht so laut, dass ich es in meiner Wohnung hören kann. Sie haben doch überall neue Armaturen, daran liegt das bestimmt!“, zeterte sie. Ich antwortete nicht und verließ das Haus.
Es kam ein Brief von der Hausverwaltung. „Wie uns Mitbewohner mitteilten, gibt es ungewöhnliche Geräusche, die nur durch einen defekten Wasserhahn in Ihrer Wohnung verursacht sein können…“, stand da.
Manni und ich antworteten schriftlich, dass wir alle Hähne und Ventile überprüft hätten. Sie waren ausnahmslos in Ordnung. Die Hausverwaltung ließ sich nicht beirren und kündigte den Besuch eines Installateurs an, der fachmännisch prüfen sollte, woher die Rauschgeräusche kämen.
Der Installateur war ein freundlicher Mann. „Alles in Ordnung, Frau Jesse“, sagte er nach einer halben Stunde.
Manni und ich haben lange überlegt, wie wir uns nun verhalten sollten. Dagegen, dass Wasser rauscht, wenn es von oben nach unten durch Rohre fließt, konnten wir nichts unternehmen, da waren wir machtlos. Wir entschlossen uns dann, ein eigenes Haus zu kaufen.
Damit es niemand hört, wenn unser Wasser rauscht.
Ich war noch niemals in New York
Wenn Udo Jürgens singt: „Ich war noch niemals in New York, ich war noch niemals richtig frei“, bekam ich früher immer Pipi in den Augen. Ich wurde regelrecht wehmütig. Nicht, weil ich nach
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