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Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Titel: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
Autoren: Michael Ende
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auf das Dach ihrer Lokomotive. Ein erwartungsvolles Raunen ging durch die Menge.
    »Achtung, Achtung!« rief Lukas laut. »Sehr verehrte Damen und Herren! Wir sind mit unserer Lokomotive von sehr weit hergekommen und werden wahrscheinlich bald wieder abreisen. Benützen Sie die einmalige Gelegenheit! Machen Sie eine kleine Fahrt mit uns! Es kostet ausnahmsweise nur zehn Li. Nicht mehr als zehn Li für eine Fahrt um diesen großen Platz!«
    Durch die Menge ging ein Murmeln und Flüstern, aber niemand rührte sich vom Fleck.
    Lukas begann noch einmal:
    »Kommen Sie ruhig näher, meine Herrschaften! Die Lokomotive ist ganz ungefährlich! Nur keine Angst! Nur hereinspaziert, verehrtes Publikum!«
    Die Menge blickte andächtig zu Lukas und Jim empor, aber keiner trat vor.
    »Verflixt und zugenäht!« raunte Lukas Jim zu. »Sie trauen sich nicht. Versuch du’s mal!«
    Jim holte Luft und rief, so laut er konnte:
    »Liebe Kinder und Kindeskinder! Ich kann euch nur raten:
    Fahrt mit! Es ist das Lustigste, was man sich überhaupt denken kann - sogar schöner als Karussellfahren! Achtung, Achtung! In wenigen Minuten beginnen wir! Bitte einsteigen! Es kostet heute nur zehn Li pro Person! Nur zehn Li!«
    Aber niemand rührte sich.
    »Es kommt keiner«, flüsterte Jim enttäuscht.
    »Vielleicht fahren wir erst mal eine Runde allein«, meinte Lukas. »Möglich, daß sie dann Lust bekommen.«
    Also kletterten sie vom Dach hinunter und fuhren los. Aber der Erfolg war leider ganz anders, als sie erwartet hatten. Die Leute rannten erschrocken davon, und schließlich war der ganze Platz völlig menschenleer.
    »Es hat keinen Zweck«, seufzte Jim, als sie wieder hielten. »Da müssen wir uns eben was Besseres ausdenken«, brummte Lukas vor sich hin.
    Sie stiegen von der Lokomotive herunter und begannen nachzudenken, aber sie wurden dauernd durch das Knurren ihrer Mägen gestört. Endlich meinte Jim kläglich: »Ich glaub’, wir finden nichts. Wenn wir nur irgend jemand von hier kennen würden. Ein Mandalanier könnte uns sicher einen guten Rat geben.«
    »Aber gern!« piepste da plötzlich ein zartes Stimmchen. »Wenn ich euch behilflich sein kann?« Lukas und Jim blickten erstaunt vor sich nieder und sahen zu ihren Füßen ein winziges Kerlchen, ungefähr so groß wie eine Hand. Offenbar war das ein Kindeskind. Sein Kopf war nicht größer als ein Tischtennisball. Das Kerlchen nahm seinen kleinen, runden Hut und machte höflich eine tiefe Verbeugung, so daß sein Zöpfchen in die Höhe stand.

    »Ich möcht’ nur wissen«, meinte Jim manchmal nachdenklich, »wo wir eigentlich hinfahren.«
    Mein Name, ihr ehrenwerten Fremdlinge«, sagte er, »ist Fing Pong. Ich stehe ganz zu euren Diensten.«
    Lukas nahm die Pfeife aus dem Mund und verbeugte sich ebenfalls mit ernster Miene. »Mein Name ist Lukas der Lokomotivführer.«
    Und nun verbeugte sich auch Jim und sagte: »Ich heiße Jim Knopf.«
    Darauf verbeugte sich wieder der kleine Fing Pong und zwitscherte: »Ich habe den Klagegesang eurer erhabenen Mägen vernommen. Es wird mir eine Ehre sein, euch zu bewirten. Bitte, wartet hier einen Augenblick!«
    Und er rannte mit winzig kleinen Schritten auf den Palast zu, so schnell, daß es aussah, als ob er auf Räderchen führe.
    Als er in der niedersinkenden Dunkelheit verschwunden war, schauten sich die beiden Freunde verdutzt an. »Jetzt bin ich aber gespannt, wie es weitergeht«, sagte Jim. »Warten wir’s ab«, sagte Lukas und klopfte seine Pfeife aus. Als Ping Pong zurückkam, schwankte er unter einer sonderbaren Last, die er auf dem Kopf trug. Es war ein kleines Lacktischchen, nicht größer als ein Tablett. Das stellte er auf den Boden neben die Lokomotive. Dann legte er ein paar Kissen, klein wie Briefmarken, um das Tischchen herum. »Bitte, nehmt Platz!« sagte er mit einer einladenden Handbewegung.
    Die beiden Freunde setzten sich so gut es ging auf die Kissen nieder. Es war zwar ein bißchen schwierig, aber sie wollten schließlich nicht unhöflich sein.
    Ping Pong rannte noch einmal davon und kam zurück mit einem ganz kleinen, wunderschönen Lampion, auf den ein freundlich lachendes Gesicht gemalt war. Das Stöckchen, an dem der Lampion hing, steckte er zwischen die Speichen eines Lokomotivrades. Nun hatten die beiden Freunde eine hübsche Tischbeleuchtung. Es war nämlich inzwischen ganz dunkel geworden, und der Mond war noch nicht aufgegangen.
    »So!« piepste Fing Pong und überblickte befriedigt sein Werk. »Und was darf ich
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