Wenn die Liebe erblueht - Im Rosengarten der Liebe
1. KAPITEL
Sie war spät dran. In letzter Zeit bin ich immer spät dran, dachte Geraldine müde, während sie eilig die StraÃe überquerte.
In der Nähe der Zeitarbeits-Agentur, die sie mit Computer-Programmieraufträgen versorgte, hatte sie keinen Parkplatz bekommen, weshalb sie jetzt quer durch die Stadt laufen musste. Auch wenn es kein langer Weg war, verlor sie dabei kostbare Zeit, in der sie kein Geld verdiente, Zeit, in der sie â¦
Ãrgerlich verdrängte sie diese Gedanken. Es gab für Geraldine eine strikte Regel: Sobald sie das Haus verlieÃ, um Tante May zu besuchen, stellte sie ihre persönlichen Probleme und vor allem ihre Geldsorgen hinten an, denn sie durfte ihre Tante nicht beunruhigen. Tante May brauchte all ihre Kraft, wenn sie wieder gesund werden sollte.
Wenn ⦠Es gibt kein Wenn, redete sich Geraldine energisch ein. Natürlich würde Tante May sich erholen. Hatten die Schwestern im Hospiz nicht erst vergangene Woche gesagt, wie gut sie sich mache und was für eine wundervolle Patientin sie sei?
Gedankenversunken blieb Geraldine stehen. Tante May ⦠Genau genommen war sie ihre GroÃtante, eine unverwüstliche Dame von über siebzig, die Geraldine nach dem tragischen Tod ihrer Eltern bei einem Flugzeugabsturz bei sich aufgenommen hatte. Mit Liebe und Verständnis hatte sie Geraldine geholfen, den schrecklichen Verlust zu überwinden, und sie mit so viel Güte und Weisheit groÃgezogen, dass sich Geraldine im Nachhinein als echtes Glückskind fühlen konnte. Auch als Geraldine dann flügge wurde, mit Bravour die Universität absolvierte und schlieÃlich nach London ging, um dort Karriere zu machen, hatte ihre Tante jeden ihrer Schritte ermutigt und unterstützt.
Intelligent, zielstrebig und ehrgeizig, erklomm Geraldine in rasantem Tempo die Karriereleiter. Unter Kollegen galt sie als echter âSenkrechtstarterâ, und sie war stolz auf diesen Titel gewesen. Entschlossen hatte sie sich ganz auf die Verwirklichung ihrer beruflichen Ziele konzentriert. Gedanken an eine ernsthafte Beziehung und vielleicht eine eigene Familie verschob sie auf später, wenn sie alles erreicht haben würde, was sie sich vorgenommen hatte.
Natürlich war sie auch während dieser Zeit mit ihrer Tante in Verbindung geblieben, hatte regelmäÃig das Weihnachtsfest und einen Teil ihres Urlaubs bei ihr verbracht. Umgekehrt hatte Tante May sie hin und wieder in ihrem kleinen Apartment in einem der neuen luxuriösen Wohnblocks im Hafenviertel besucht, das Geraldine gekauft hatte, obwohl die Immobilienpreise damals einen horrenden Höchststand erreicht hatten. Sie hatte kein Risiko darin gesehen, denn ihr beruflicher Werdegang schien ihr klar vorgezeichnet, nichts schien ihren weiteren Aufstieg verhindern zu können.
Doch dann kam der Augenblick, da sich ihr gesamtes Leben schlagartig verändern sollte. Sie hatte sich spontan entschlossen, ein paar unerwartete Urlaubstage bei ihrer Tante in Manchester zu verbringen, und wurde zum ersten Mal mit Tante Maysschwerer Krankheit konfrontiert. Eine âWucherungâ, ein âTumorâ, wie auch immer die Ãrzte es noch so vorsichtig umschrieben, letztlich gab es keine Möglichkeit, an der schrecklichen Wahrheit vorbeizusehen.
Geraldine hatte sofort Sonderurlaub genommen, ohne sich um die Einwände ihrer Tante zu scheren, die sie immer wieder drängte, nach London zurückzukehren und sich um ihr eigenes Leben zu kümmern. Entschlossen hatte sie ihre Tante in verschiedenen Krankenhäusern untersuchen lassen und sich das Urteil von Spezialisten eingeholt. Als dann die Fakten unverrückbar auf dem Tisch lagen, war Geraldine nach London zurückgekehrt ⦠aber nur, um ihre Kündigung einzureichen und ihr Apartment zu verkaufen, zu einem Preis, der gerade die Ablösung ihrer Hypothek abdeckte.
Dann war sie zusammen mit ihrer Tante aufs Land gezogen, denn Tante May, die einen GroÃteil ihres Lebens in der grauen Vorstadt von Manchester verbracht hatte, hatte immer von einem Häuschen in einer der idyllischen Kleinstädte von Cheshire geträumt. Um das kleine Cottage zu erwerben, hatte Geraldine sich jedoch erneut hoch verschulden müssen, und die jüngsten Zinssteigerungen drohten ihre finanzielle Misere ins Hoffnungslose zu verschlimmern. Wie viel Arbeit sie sich auch aufhalste, die Aufträge über die Agentur brachten ihr nicht annähernd
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