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Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Titel: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
Autoren: Michael Ende
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Stäbchen. Sonst verhungern wir noch.«
    Und dann aßen sie einfach so aus den Schälchen, die ja ohnehin nur so groß waren wie Teelöffel.
    In jedem Schälchen befand sich anders zubereiteter Reis, und einer schmeckte immer besser als der andere. Es gab roten Reis, grünen Reis und schwarzen Reis, süßen Reis, scharfen Reis und gesalzenen Reis, Reisbrei, Reisauflauf und Puffreis, blauen Reis, kandierten Reis und vergoldeten Reis. Sie aßen und aßen.
    »Sag mal, Fing Pong«, frage Lukas nach einer Weile, »warum ißt du eigentlich nicht mit?«
    »Oh, nein!« antwortete Fing Pong mit wichtiger Miene, »für Kinder in meinem Alter ist dieses Essen nicht bekömmlich. Wir sollen lieber flüssige Nahrung zu uns nehmen.«
    »Wieso?« meinte Jim mit vollem Mund. »Wie alt bist du denn?«
    »Ich bin genau 368 Tage alt«, antwortete Fing Pong stolz. »Aber ich habe schon vier Zähne.«
    Das war ja nun wirklich recht unglaublich, daß Fing Pong erst ein Jahr und drei Tage sein sollte! Um das zu verstehen, muß man folgendes wissen:
    Die Mandalanier sind ein sehr, sehr kluges Volk. Sie sind sogar eines der klügsten Völker der Erde. Sie sind auch ein sehr altes Volk. Es hat sie schon gegeben, als es die meisten anderen Völker noch nicht gab. Daher kommt es, daß bereits die winzigsten Kinder ihre Wäsche selbst waschen können. Mit einem Jahr sind sie schon so gescheit, daß sie herumlaufen und ganz erwachsen reden können. Mit zwei Jahren können sie lesen und schreiben. Mit drei Jahren rechnen, sie die schwersten Rechenaufgaben aus, die bei uns höchstens ein Professor bewältigen kann. Das fällt aber in Mandala nicht weiter auf, weil eben alle Kinder so gescheit sind.
    So ist es zu erklären, daß der kleine Fing Pong sich schon so gewählt ausdrücken konnte und auf sich selbst achtgab wie seine eigene Mutter. Aber im übrigen war er noch genauso ein Säugling wie alle anderen Babys der Welt in seinem Alter. Zum Beispiel mußte er statt Höschen noch Windeln tragen. Die Enden der Windeln waren auf seinem Hinterteil zu einer großen Schleife zusammengebunden.
    Nur sein Verstand war eben schon sehr erwachsen.

Achtes Kapitel
    in dem Lukas und Jim geheimnisvolle Inschriften entdecken

    Der Vollmond war aufgegangen, und ein silberweißes Licht erfüllte die Straßen und Plätze der Stadt Fing. Vom Turm des Palastes erklangen tiefe, dunkle Glockenschläge, schwollen an und verhallten wieder.
    »Es ist Jau, die Stunde der Grille«, sagte Fing Pong. »Das ist die Zeit, wo alle Babys in Mandala ihre Gute-Nacht-Fläschchen bekommen. Gestattet bitte, daß ich mir das meinige hole!«
    »Natürlich!« antwortete Lukas.
    Fing Pong lief fort und tauchte gleich wieder auf. Im Arm trug er eine Schnullerflasche, so klein wie für eine Puppe. Er legte sich auf seinem Kissen zurecht und erklärte: »Eidechsenmilch schätze ich ungemein. Für Babys in meinem Alter ist sie einfach unentbehrlich. Zwar ist sie nicht besonders wohlschmeckend, jedoch überaus nahrhaft.« Und damit begann er eifrig zu schnullen.
    »Sag mal, Fing Pong«, fragte Lukas nach einer Weile, »wo hast du eigentlich dieses Abendessen für uns so schnell hergenommen?«
    Ping Pong unterbrach seine Mahlzeit. »Aus der Küche des kaiserlichen Palastes«, entgegnete er leichthin. »Seht ihr, gleich da vorne neben der Silbertreppe ist der Eingang.«
    Jetzt, im Mondschein, war die Tür gut zu sehen. Sie war de n beiden Freunden tagsüber gar nicht aufgefallen. Jim wunderte sich sehr.
    »Ja, darfst du denn da einfach hinein?« fragte er. »Warum nicht?« erwiderte Fing Pong achselzuckend und machte wieder sein wichtiges Gesicht. »Schließlich bin ich doch das zweiunddreißigste Kindeskind von Herrn Schu Fu Lu Pi Plu, dem Oberhofkoch.«
    »Darfst du denn da einfach Essen wegholen?« erkundigte sich Lukas besorgt. »Ich meine, es war doch sicher für jemand bestimmt.«
    »Es war das Abendessen des erhabenen Kaisers«, antwortete Fing Pong mit einer nachlässigen Handbewegung, als ob das nichts Besonderes wäre.
    »Was?« riefen Lukas und Jirn gleichzeitig. Sie schauten sich ganz entgeistert an.
    »Nun ja«, erklärte Fing Pong, »der erhabene Kaiser hat wieder einmal nicht essen mögen.«
    »Warum denn nicht!« fragte Jim. »Es war doch sehr gut.«
    »Ja, wißt ihr denn nicht, ehrenwerte Fremdlinge, was mit unserem Kaiser los ist? Alle Welt weiß das doch.«
    »Nein«, antwortete Lukas, »was ist denn mit ihm los?«
    Fing Pongs Gesicht wurde plötzlich sehr ernst.
    »Ich werde
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