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Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Titel: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
Autoren: Michael Ende
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dicke gelbe Kopf, »das ist natürlich etwas anderes. Haben Sie bitte die Güte, einen Augenblick zu warten!«
    Damit schloß er die Klappe.
    Die beiden Freunde standen vor der Tür und warteten.
    Und warteten.
    Und warteten.
    Ein Augenblick war längst vorüber. Viele Augenblicke waren vorüber. Aber der dicke gelbe Kopf erschien nicht wieder in der Tür klappe.
    Als sie lange genug gewartet hatten, knurrte Lukas endlich: »Du hast recht, Jim, wir sorgen doch besser erst mal für ein Frühstück. Vielleicht essen wir dann beim Kaiser zu Mittag.«
    Jim schaute sich nach dem kleinen Fing Pong um, aber Lukas sagte: »Nein, Jim, wir zwei wollen uns nicht dauernd von einem Baby einladen lassen. War’ doch gelacht, wenn wir nicht selbst für uns sorgen könnten.«
    »Meinst du«, fragte Jim zweifelnd, »wir sollten es nochmal mit Emma als Karussell versuchen?«
    Lukas stieß einige Rauchkringel aus.
    »Mir ist was viel Besseres eingefallen«, erklärte er. »Paß mal auf, Jim!«
    Und er spuckte einen Looping, aber nur einen ganz kleinen, damit niemand außer Jim es sehen konnte. »Verstehst du?« fragte er und zwinkerte vergnügt mit einem Auge … - »Nein«, antwortete Jim verwundert.
    »Erinnerst du dich nicht an die Akrobaten, die wir gestern gesehen haben? Nun, wir können doch auch ein paar solche Sachen. Wir geben eine Zirkusvorstellung!«

    »Das sind die goldenen Dächer von Ping.«
    »Au ja!« rief Jim begeistert. Doch dann fiel ihm ein, daß er ja nichts vorführen konnte, und er fragte etwas enttäuscht: »Und was mach’ ich?«
    »Du machst den dummen August und hilfst mir«, sagte Lukas. »Jetzt sollst du mal sehen, Jim, wie nützlich es ist, wenn man eine Kunst beherrscht.«
    Sie kletterten auf das Dach der Emma und begannen wie am vorigen Abend immer abwechselnd auszurufen:
    »Hochverehrtes Publikum! Wir sind der Wanderzirkus Lummerland und werden jetzt eine Gala-Vorstellung geben, wie sie hier noch niemand gesehen hat! Herbei, nur immer herbei, verehrtes Publikum! Unsere Vorstellung beginnt sofort!« Die Leute drängten neugierig näher.
    Zur Einführung zeigte Lukas als der »stärkste Mann der Welt«, wie er eine Eisenstange mit bloßen Händen zusammenbiegen konnte. Er erschien mit einem dicken, langen Schürhaken, den er aus der Lokomotive geholt hatte. Die Mandalanier, die alles, was mit Zirkus zusammenhängt, für ihr Leben gern sehen, kamen noch näher.
    Unter bewundernden Zurufen der Menge band Lukas den Schürhaken zu einer Schleife. Als er damit fertig war, brachen die Zuschauer in Beifall aus.
    Im zweiten Akt hielt Jim ein brennendes Streichholz hoch, und Lukas als Kunstspucker löschte es auf eine Entfernung von drei und einem halben Meter aus. Jim als dummer August stellte sich natürlich möglichst ungeschickt an und tat, als hätte er Angst, getroffen zu werden.
    Danach pfiff Lukas zusammen mit Emma der Lokomotive zweistimmig ein hübsches Lied. Der Applaus schwoll an, denn so etwas hatte man hierzulande tatsächlich noch nie gesehen oder gehört.
    Für die letzte Nummer bat Jim das hochverehrte Publikum um völliges Stillschweigen für die in der ganzen Welt einmalige Darbietung.
    Und unter atemloser Stille der Zuschauer spuckte Lukas einen wundervollen, riesengroßen Looping, so groß, wie ihn auch Jim noch niemals von ihm gesehen hatte.
    Die Mandalanier brachen in tosenden Beifall aus und wollten alles noch einmal sehen. Aber ehe die Freunde mit einer neuen Vorstellung anfingen, ging Jim herum und sammelte Geld ein. Die neugierige Menge auf dem Platz war größer und größer geworden, und Jim bekam eine ganze Masse Geld zusammen. Es waren lauter kleine Münzen mit einem Loch in der Mitte, damit man sie auf Bindfaden auffädeln konnte. Jim fand das sehr praktisch, weil er sonst gar nicht gewußt hätte, wohin mit dem vielen Geld.
    So verging Stunde um Stunde, und noch immer war der dicke gelbe Kopf in der Türklappe nicht wieder erschienen.
    Das hatte folgenden Grund:
    Hinter der großen Ebenholztür lag das kaiserliche Amt. Und in einem Amt dauert bekanntlich immer alles schrecklich lange. Der Türhüter war mit seiner Meldung zunächst einmal zum Obertürhüter gelaufen. Der Obertürhüter brachte sie weiter zum Haupttürhüter. Der Haupttürhüter ging zum Schreiber, der Schreiber zum Unterkanzlisten, der Unterkanzlist zum Oberkanzlisten, der Oberkanzlist zum Kanzleirat, und so ging jeder zum nächsthöheren Beamten. Man kann sich leicht vorstellen, wie lange es dauerte, ehe die
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