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Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Titel: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
Autoren: Michael Ende
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und die gelehrten Männer hatten aufmerksam zugehört und die von Lukas aufgemalte Adresse mit der auf dem Brief der Prinzessin verglichen.
    »Es besteht kein Zweifel«, verkündete schließlich ein Gelehrter von der kurzen, dicken Sorte, der ein Fachmann für solche Dinge war, »es besteht kein Zweifel, daß es sich beide Male um die gleiche Adresse handelt. Nur ist die von Prinzessin Li Si offenbar richtig geschrieben, die andere auf Jims Paket stammt dagegen von jemand, der nur schlecht schreiben kann.«
    »Aber dann is’ Frau Waas ja gar nicht meine richtige Mutter!« rief Jim plötzlich.
    »Nein«, antwortete Lukas, »das hat ihr ja auch immer großen Kummer gemacht.«
    Jim schwieg eine Weile, dann fragte er bang:
    »Aber wer is’ es dann? Glaubst du vielleicht, daß es Frau Mahlzahn is’?«
    Lukas schüttelte nachdenklich den Kopf.
    »Scheint mir nicht so«, sagte er. »Frau Mahlzahn ist doch ein Drache, wie die Prinzessin schreibt. Man müßte erst mal dahinterkommen, wer diese ›13‹ eigentlich sind. Die haben das Paket mit dir drin ja abgeschickt.«
    Aber wer die ›13‹ waren, das wußte niemand. Nicht einmal die ›Blüten der Gelehrsamkeit‹.
    Begreiflicherweise war Jim sehr beunruhigt.
    Man kann sich ja vorstellen, wie verwirrend es ist, ganz plötzlich und unerwartet so entscheidende Tatsachen über sich selbst zu erfahren.
    »Jedenfalls«, meinte Lukas, »werden wir jetzt noch aus einem weiteren Grund in die Drachenstadt fahren müssen. Nicht nur, um Prinzessin Li Si zu befreien, sondern auch um das Geheimnis von Jim Knopf zu erforschen.«
    Er paffte gedankenvoll vor sich hin und fuhr dann fort: »Eigentlich ist es doch wirklich erstaunlich! Wenn wir nicht nach Mandala gekommen wären, hätten wir diese Spur nie gefunden.«
    »Ja«, meinte der Kaiser, »dahinter steckt sicherlich ein großes Geheimnis.«
    »Mein Freund Jim Knopf und ich, wir werden es entdecken«, erwiderte Lukas ernst und entschlossen. »Wo liegt also diese Drachenstadt Kummerland?«
    Nun trat ein Gelehrter von der eingeschrumpften Sorte mit großer Stirn vor. Er war der Kaiserliche Oberhofgeograph, und er kannte alle Landkarten der Welt auswendig.
    »Sehr ehrenwerte Fremdlinge«, begann er mit betrübter Miene, »die Lage der Drachenstadt ist leider keinem sterblichen Menschen bekannt.«
    »Natürlich«, sagte Lukas, »sonst hätte der Briefträger sie ja finden müssen.«
    »Wir vermuten jedoch«, sprach der Gelehrte weiter, »daß sie irgendwo jenseits des rot und weiß gestreiften Gebirges liegt. Da die Flaschenpost der Prinzessin mit den Wellen des Gelben Flusses stromabwärts geschwommen kam, muß die Stadt wohl stromaufwärts liegen. Der Lauf des Gelben Flusses ist uns aber nur bis zu dem rot und weiß gestreiften Gebirge bekannt. Dort kommt er aus einer tiefen Höhle heraus. Wo er jedoch wirklich entspringt, das weiß niemand.«
    Lukas dachte einige Zeit nach und paffte große Rauchwolken zur Decke des Thronsaales.
    »Kann man in die Höhle hineinfahren?« fragte er schließlich.
    »Nein«, antwortete der Gelehrte, »das ist ganz unmöglich. Das Wasser ist viel zu reißend.«
    »Nun, irgendwo muß der Fluß ja herkommen!« meinte Lukas. »Wie könnte man denn auf die andere Seite des Gebirges kommen, um dort nachzuforschen?«
    Der Gelehrte breitete eine große Landkarte vor Jim und Lukas aus.
    »Dies hier ist eine Karte von Mandala«, erklärte der Oberhofgeograph. »Die Grenze des Reiches bildet, wie deutlich zu erkennen ist, die weltberühmte Mandalanische Mauer, die das Land, außer zum Meere hin, von allen Seiten umschließt. Sie hat fünf Tore: eines nach Norden, eines nach Nordwesten, eines nach Westen, eines nach Südwesten und eines nach Süden. Wenn man durch das westliche Tor fährt, so gelangt man zunächst in den ›Tausend-Wunder-Wald‹. Hat man ihn durchquert, so erreicht man schließlich das rot und weiß gestreifte Gebirge. Es heißt ›Die Krone der Welt‹. Leider ist es absolut unübersteigbar. Aber hier, etwas südlich, gibt es eine Schlucht, die den Namen ,Das Tal der Dämmerung’ trägt.
    Diese Schlucht bietet die einzige Möglichkeit, das Gebirge zu durchqueren. Allerdings hat das bis heute noch niemand gewagt. Das ›Tal der Dämmerung‹ ist nämlich von unheimlichen Stimmen und Klängen erfüllt, die so schrecklich anzuhören sind, daß niemand es erträgt. Jenseits dieses Tales liegt vermutlich eine riesige Wüste. Wir nennen sie ›Das Ende der Welt‹. Mehr kann ich leider nicht sagen,
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