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Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Titel: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
Autoren: Michael Ende
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waren inzwischen große Vorbereitungen getroffen worden.
    Tausend kleine Ampeln aus bunten Edelsteinen erleuchteten den riesigen Raum. Die einundzwanzig gelehrtesten Männer Mandalas waren versammelt und warteten auf Jim und Lukas. Sie hatten Papierrollen und Bücher mitgebracht, aus denen man alles, was über die Drachenstadt bekannt war, ersehen konnte.
    Man kann sich vorstellen, wie gelehrt die einundzwanzig Männer waren, wenn sie sogar in diesem Land, wo schon die kleinen Kinder so gescheit sind, als die gelehrtesten anerkannt wurden. Man konnte sie einfach alles fragen, zum Beispiel, wie viele Wassertropfen im Meer enthalten sind oder wie weit der Mond entfernt ist oder warum das Rote Meer rot ist oder wie das seltenste Tier heißt oder wann die nächste Sonnenfinsternis sein wird. Das wußten sie alles einfach aus dem Kopf. Der Titel dieser Männer lautete: ›Blüte der Gelehrsamkeit‹. Wie Blüten sahen sie allerdings nicht gerade aus. Vom vielen Studieren und Auswendiglernen waren manche von ihnen ganz zusammengeschrumpft und hatten riesige Stirnen bekommen. Andere waren vom vielen Sitzen und Lesen kurz und dick geworden und hatten große, abgeplattete Hinterteile. Die dritte Sorte war von dem beständigen Recken nach den oberen Bücherregalen so lang und dünn geworden wie Besenstiele. Alle trugen große goldene Brillen auf den Nasen, das war das Zeichen ihrer besonderen Würde.
    Nachdem die einundzwanzig »Blüten der Gelehrsamkeit« erst den Kaiser und dann die beiden Freunde durch Niederwerfen auf den Bauch begrüßt hatten, begann Lukas, Fragen zu stellen.
    »Vor allem wüßte ich zuerst mal gern eines«, sagte er und zündete sich seine Pfeife an. »Woher weiß man eigentlich, daß die Prinzessin sich in der Drachenstadt befindet?«
    Darauf trat ein Gelehrter von der besenstielartigen Sorte vor, rückte an seiner Brille und sprach:
    »Das, ihr ehrenwerten Fremdlinge, ging folgendermaßen zu: Die wie Morgentau liebliche Prinzessin Li Si weilte vor einem Jahr während der großen Ferien am Meer. Eines Tages war sie plötzlich spurlos verschwunden. Niemand wußte, was mit ihr geschehen war. Die schreckliche Ungewißheit dauerte an, bis vor zwei Wochen Fischer in den Wellen des Gelben Flusses eine Flaschenpost fanden. Der Gelbe Fluß kommt aus dem rot und weiß gestreiften Gebirge und fließt draußen vor den Toren unserer Stadt vorbei. Gefunden wurde eine zierliche Milchflasche für Säuglinge, wie kleine Mädchen sie beim Puppenspiel verwenden. Darin befand sich ein Brief von der Hand unserer blumenblattgleichen Prinzessin.«
    »Könnten wir diesen Brief vielleicht mal sehen?« fragte Lukas.
    Der Gelehrte suchte unter seinen Papieren, und dann überreichte er Lukas einen kleinen, zusammengefalteten Zettel. Lukas entfaltete ihn und las vor:
    »Lieber Unbekannter! Wer du auch sein magst, der diese Flaschenpost findet, bitte bringe sie so schnell wie möglich zu meinem Vater Pung Ging, dem erhabenen Kaiser von Mandala. Die 13 haben mich gefangen und an Frau Mahlzahn verkauft. Hier sind auch noch viele andere Kinder. Bitte rettet uns, denn es ist einfach schrecklich in dieser Gefangenschaft. Frau Mahlzahn ist ein Drache, und meine jetzige Adresse lautet:
    Prinzessin Li Si bei Frau Mahlzahn
    Kummerland
    Alte Straße Nummer 133
    Dritte Etage links.«
    Lukas ließ den Zettel sinken und starrte in Gedanken versunken vor sich hin.
    »Mahlzahn …?« murmelte er, »… Mahlzahn? … Kummerland? … Das hab’ ich doch schon mal irgendwo gehört.«
    »Kummerland ist der Name der Drachenstadt«, erläuterte der Gelehrte. »Das fanden wir in einem alten Buch erwähnt.«
    Jetzt nahm Lukas seine Pfeife aus dem Mund. Er stieß einen überraschten Pfiff aus und murmelte:
    »Die Geschichte fängt an, spannend zu werden!«
    »Warum?« fragte Jim verwundert.
    »Hör mal zu, Jim Knopf!« sagte Lukas ernst. »Jetzt ist der Augenblick gekommen, wo du ein großes Geheimnis erfahren mußt, das Geheimnis deiner Ankunft auf Lummerland. Du warst damals noch viel zu klein und kannst dich deswegen nicht mehr daran erinnern. Du bist nämlich in einem Postpaket vom Briefträger zu uns gebracht worden.«
    Und nun erzählte er Jim, dessen Augen vor Staunen immer größer und größer wurden, was sich damals in Lummerland ereignet hatte. Zum Schluß malte er auf ein Stück Papier, wie die Adresse auf dem Paket ausgesehen hatte.
    »Und als Absender stand nur eine große 13 hinten drauf«, schloß er seinen Bericht.
    Der Kaiser, Ping Pong
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