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Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Titel: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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entgegnete Nepomuk, »es gibt einen, eine Höhle, die durch die Wand des Berges in die Drachenstadt hineinführt. Aber leider wird dieser Eingang Tag und Nacht von Drachenwächtern bewacht. Und die lassen niemand an sich vorbei, der nicht wie ein richtiger Drache aussieht.«
    »Gibt es denn keinen zweiten Eingang?« forschte Lukas.
    »Nein«, meinte Nepomuk, »nicht daß ich wüßte.«
    »Zum Beispiel einen Fluß, der aus der Drachenstadt herausfließt?« deutete Lukas vorsichtig an.
    »Nein«, versicherte Nepomuk, »davon habe ich nie gehört. Dieser Fluß müßte ja durch das ›Land der tausend Vulkane‹ fließen, und wir Halbdrachen würden ihn kennen. Nein, es gibt keinen Fluß und keinen zweiten Eingang.«
    »Das ist seltsam«, brummte Lukas. »Wir dachten nämlich, der Gelbe Fluß entspränge in der Drachenstadt.«
    Aber Nepomuk schüttelte nachdrücklich den Kopf und erklärte: »Das kann nicht sein!«
    »Wie sehen denn eigentlich reinrassige Drachen aus?« fragte Jim in Gedanken versunken.
    »Ach, ganz verschieden«, antwortete Nepomuk. »Sie dürfen vor allem keinem anderen Tier ähnlich sehen, sonst sind sie nämlich nicht mehr reinrassig. Ich zum Beispiel sehe leider meiner Mutter, dem Nilpferd, entfernt ähnlich. Ja, und außerdem muß ein Drache eben Feuer und Rauch speien können.«
    Alle drei dachten eine Weile nach. Endlich schlug Jim vor:
    »Vielleicht könnten wir Emma einfach als Drachen verkleiden? Sie sieht keinem anderen Tier ähnlich, und Feuer und Rauch speien kann sie auch.«
    »Jim!« rief Lukas überrascht. »Das ist eine ganz famose Idee!«
    »Ja, wirklich«, bestätigte Nepomuk. »Das wäre tatsächlich eine Möglichkeit. Ich kenne Drachen, die ganz ähnlich aussehen.«
    »Jetzt bleibt nur noch die Frage«, meinte Lukas, »wie kommen wir bis zu dem Berg? Wir möchten natürlich nicht gern in eine Erdspalte fallen oder im glühenden Schlamm steckenbleiben.«
    »Nun, das ist ganz einfach«, antwortete Nepomuk eifrig. »Ich führe euch hin, dann kann euch nichts passieren. Ich weiß nämlich genau, um welche Zeit und an welcher Stelle Erdspalten aufbrechen oder die Lavakessel ausgeleert werden. Ja, ja, wir Halbdrachen haben das natürlich untereinander festgelegt. Sonst würde ja alles drunter und drüber gehen.«
    »Ausgezeichnet!« sagte Lukas vergnügt. »Dann wollen wir uns gleich ans Werk machen und unsere gute alte Emma als Drachen verkleiden.«
    Nepomuk kletterte in seinen Vulkan hinab und schleppte einen Topf mit roter Rostschutzfarbe herbei. Außerdem setzte er einen Kessel Lava auf den Herd.
    Jim und Lukas suchten alle Decken hervor und banden sie mit Stricken über das Führerhäuschen.
    Als sie damit fertig waren, kam Nepomuk mit seiner Lava an, die inzwischen flüssig geworden war. Da er ein Halbdrache war, konnte er den glühenden Brei anfassen, ohne sich die Finger zu verbrennen. Er knetete und strich und patschte auf der Emma herum und modellierte ihr oben einen großen Buckel und vorn eine lange häßliche Nase und an den Seiten Stacheln und Schuppen. Die Lava wurde, sobald sie abkühlte, hart wie Beton. Und zuletzt bemalten sie das Ganze noch möglichst schauerlich mit der roten Farbe und pinselten der guten dicken Emma auf ihr gemütliches Gesicht eine gräßliche Drachenfratze. Emma ließ alles still über sich ergehen. Sie machte recht ratlose und dumme Augen dazu, denn sie verstand wieder einmal nichts von allem, was vorging.
    Bei Sonnenuntergang war das Werk beendet. Lukas versteckte sich im Führerhäuschen und ließ Emma zur Probe ein bißchen herumfahren und Rauch und Feuerfunken speien. Es wirkte tatsächlich sehr drachenmäßig.
    Dann verabredeten sie sich für den nächsten Morgen und gingen schlafen, Nepomuk auf seinen Kohlenhaufen und die beiden Freunde in das Führerhäuschen ihrer Drachen-Lokomotive.

Zwanzigstes Kapitel
    in dem Emma von einem reinrassigen Drachen zum Abendbummel eingeladen wird

    Am nächsten Morgen brachen die Reisenden frühzeitig auf, denn Nepomuk hatte behauptet, der Weg zur Drachenstadt sei noch viel, viel weiter, als es den Anschein hätte. Bald erwies sich, daß diese Warnung nicht übertrieben war. Wegen der vielen Erdspalten und Lavabäche konnten sie nämlich nicht einfach geradeaus fahren, sondern sie mußten fortwährend große Umwege machen. Es war wie in einem Irrgarten. Nepomuk hatte sich ganz vorn auf Emmas Kessel gesetzt und benützte seinen dünnen Schwanz als Winker. Er streckte ihn mal rechts, mal links hinaus und

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