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Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Titel: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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jemand sie tötet. Von allein sterben sie nie, sondern werden einfach immer älter. Und andere Kinder gab es natürlich erst recht nicht, und das war sehr gut. Sie hätten ja nirgendwo einen Platz zum Spielen gehabt. Auf den Straßen wären sie einfach totgetrampelt worden, und Wiesen oder so etwas Ähnliches gab es nicht. Es gab auch keine Bäume zum Hinaufklettern. Es gab überhaupt nichts Grünes. Rund um diese unzähligen Straßenschluchten mit ihrem Gestank und ihrem Lärm stieg der Rand des großen Kraters auf wie eine riesenhafte dunkle Mauer. Wie man sieht, trug diese Stadt nicht zu Unrecht ihren Namen: Kummerland.

Einundzwanzigstes Kapitel
    in dem Jim und Lukas eine Schule in »Kummerland« kennenlernen

    Als Emma eine Weile in den Straßen umhergeirrt war, tauchte eine unvorhergesehene Schwierigkeit auf. Wie sollten die beiden Freunde in dieser riesigen Stadt jemals die »Alte Straße«finden? Sie konnten ja nicht einfach aussteigen und jemand danach fragen. Es gab nur die eine Möglichkeit: Sie mußten sich aufs Geratewohl auf die Suche machen. Das konnte allerdings Stunden dauern, aber da half nun einmal nichts. Doch sie hatten Glück. Schon an der nächsten Straßenkreuzung entdeckte Lukas, als er vorsichtig zwischen den Decken hinauslugte, an einer Ecke ein Steinschild mit der Aufschrift:
    ALTE STRASSE
    Jetzt brauchten sie nur noch den Hausnummern zu folgen, die über den Eingängen eingemeißelt waren. Kurze Zeit später hatten sie auch schon das Haus Nummer 133 gefunden.
    »Hast du Angst, Jim?« fragte Lukas leise. Jim dachte schnell nochmal an den Scheinriesen, und daß alles von nahem besehen vielleicht gar nicht so gefährlich sein würde, wie es jetzt schien. Entschlossen sagte er:
    »Nein, Lukas.«
    Und dann fügte er, um bei der vollen Wahrheit zu bleiben, hinzu: »Jedenfalls nicht viel.«
    »Schön«, meinte Lukas, »dann kann’s also losgehen.«
    »Ja«, antwortete Jim, »es kann losgehen.«
    Lukas lenkte Emma vorsichtig durch das riesige Haustor. Sie kamen in ein Treppenhaus, das so geräumig war wie eine Bahnhofshalle. Die Treppe führte in einer gewaltigen Spirale immer rundherum, höher und höher hinauf. Es war nicht zu erkennen, wo sie endete. Fahle Düsternis lag über dem großen Raum. Merkwürdigerweise bestand die Treppe nicht aus Stufen, sondern sie stieg wie eine gewundene Straße aufwärts. In ganz Kummerland durfte es nämlich keine Stufen geben, und der Grund dafür ist leicht einzusehen: Große Stufen hätten die kleinen dackelartigen Drachen nicht ersteigen können, und niedrige Stufen mußten wieder viel zu unbequem für die güterzuggroßen Drachen sein. Also wurden Stufen ganz weggelassen. Außerdem hatte diese Lösung noch einen anderen Vorzug. Eben kam nämlich ein Drache von oben heruntergesaust. Er hatte sich einfach auf seinen horngepanzerten Schwanz gesetzt und rutschte wie auf einem Rodelschlitten die Treppenspirale abwärts.
    Die beiden Freunde waren sehr zufrieden, daß es keine Stufen gab, da sie für Emma ein unüberwindliches Hindernis dargestellt hätten. So konnten sie nun ganz bequem hinauffahren. Und das taten sie auch, immer rundherum, bis sie in der dritten Etage ankamen. Vor der ersten Türe links hielten sie an. Sie war so hoch und breit, daß ein zweistöckiger Autobus ohne Schwierigkeiten durchgekommen wäre. Aber leider war die Öffnung mit einer riesigen Steinplatte verschlossen:
    FRAU MAHLZAHN GEFÄLLIGST
    3 MAL KLOPFEN
    BESUCH UNERWÜNSCHT
    war darauf eingemeißelt. Darunter befand sich ein steinerner Türklopfer in Gestalt eines Totenschädels, der einen Ring zwischen den Zähnen hielt.

    Es war auf den ersten Blick zu erkennen, daß es sich um eine richtige Großstadt handelte.
    Lukas las Jim leise die Inschrift vor.
    »Sollen wir klopfen?« fragte Jim zweifelnd.
    Lukas schüttelte den Kopf. Er spähte vorsichtig nach allen Seiten hinaus. Als er sah, daß kein Drache in der Nähe war, stieg er rasch entschlossen aus und stemmte sich mit aller Kraft gegen die große Steinplatte. Tatsächlich, sie ließ sich mit äußerster Anstrengung bewegen. Lukas schob sie aus dem Weg, soweit es ging, dann kletterte er in das Führerhaus zurück.
    »Besser, wir haben Emma bei uns«, erklärte er flüsternd, setzte die Lokomotive in Bewegung und fuhr so geräuschlos wie möglich in die Wohnung hinein. Drinnen hielt er noch einmal an, kroch hinaus und schob die Steinplatte wieder zu. Dann winkte er Jim. Der Junge kletterte vorsichtig aus dem

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