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Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Titel: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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schien ihnen auch ziemlich egal zu sein, das zu wissen, weil sie ja sowieso alle gleich waren. Nur ihren Käptn konnten sie sofort erkennen, denn der hatte zum Unterschied von ihnen allen einen roten Stern am Hut stecken. Ihm gehorchten alle widerspruchslos. Am zweiten Tag aß ich dann doch ein wenig von dem trocknen Brot, weil ich sehr hungrig war. Sonst war alles genauso wie am Tag vorher. Als es Abend geworden war und die Seeräuber wieder um das Branntweinfaß herumsaßen, hörte ich, wie der Käptn zu den anderen sagte:
    ›Hört zu, Brüder! Morgen um Mitternacht treffen wir uns wieder an der verabredeten Stelle mit dem Drachen. Er wird sich freuen.‹
    Dabei schaute er zu mir hinauf und grinste. ›Das ist gut, Käptn’, hörte ich einen der anderen sagen, ,da gibt’s wieder neuen Schnaps. War ja auch die höchste Zeit. Das Faß da ist schon beinah leer.‹
    Daß diese Worte irgendwas mit mir zu tun hatten, war mir klar, wenn ich auch nicht wußte was. Wie mir zumute war, könnt ihr euch vorstellen.
    In der nächsten Nacht wehte ein schneidender Wind und jagte schwarze Wolkenfetzen am Vollmond vorüber, so daß es abwechselnd hell und wieder finster wurde. Ich fror schrecklich in meinem Käfig. Gegen Mitternacht sah ich plötzlich einen Moment lang am Horizont etwas durch die Dunkelheit blinken, auf das sich unser Schiff zubewegte. Als wir näher kamen und der Mond wieder für einige Augenblicke hervorleuchtete, erkannte ich, daß es ein paar nackte, schroffe Klippen aus blankem Eisen waren, die aus dem Meer aufragten. Und au f einer dieser Klippen saß wartend ein riesiger Drache. Seine schwarzen Umrisse hoben sich deutlich gegen den sturmzerfetzten Himmel ab.
    ›Chchchchch!‹ fauchte er, als das Seeräuberschiff neben ihm anlegte, dabei schoß eine giftgrüne und eine violette Stichflamme aus je einem seiner Nasenlöcher. ›Habt ihrrrrr wiederrrrr was fürrrrr michchchchch, ihrrrrr Burrrrrschen?‹ ›Und ob!‹ rief der Kapitän zu ihm hinüber. ›Diesmal ist’s ein besonders feines kleines Mädchen!‹
    ›Ssssssssso?‹ zischte der Drache und grinste boshaft. ›Und was wollt ihrrr dafürrr haben, ihrrr alten Gaunerrrrrrr?‹ ›Dasselbe wie immer‹, antwortete der Kapitän. ›Ein Faß voll echtem Kummerländer Branntwein, Marke Drachengurgel. Das ist der einzige Schnaps auf der Welt, der mir und meinen Brüdern scharf genug ist. Wenn du nicht willst, fahren wir wieder ab.‹
    Sie handelten noch eine Weile hin und her, aber schließlich gab der Drache das Faß voll Branntwein heraus, auf dem er die ganze Zeit gesessen hatte, und dafür bekam er von den Seeräubern den Käfig mit mir drin. Nachdem sie schließlich noch ausgemacht hatten, wann sie sich das nächste Mal treffen wollten, verabschiedeten sie sich. Eine kurze Weile war durch das Pfeifen des Windes noch der Gesang der Dreizehn zu hören, dann verschwand das Schiff in der Ferne.
    Der Drache nahm jetzt meinen Käfig und hielt ihn in die Höhe, um mich eingehend und gründlich zu mustern. Endlich sagte er: ›Ssssso, mein Kind. Mit Puppenspielen, Faulenzen, Spazierrrrrengehn, Ferrrrrrien und all diesem Firrrrrlefanz ist es jetzzzzzzt ein für allemal vorrrrrbei. Es wird höchchchste Zzzzzzeit, daßßßß du einmal den Errrrnst des Lebens kennenlerrrrrrnst.‹
    Und dann wickelte er meinen Käfig in eine dicke, vollkommen undurchsichtige Decke, so daß ich nun ganz und gar im Dunkeln saß, und von allem, was draußen vorging, nichts mehr sah und kaum etwas hörte.
    Zunächst schien allerdings gar nichts zu geschehen. Ich wartete und begann mich schon zu fragen, ob der Drache mich vielleicht einfach stehen gelassen hatte. Aber wozu hatte er mich denn eingehandelt? Wie lange dieses Warten dauerte, weiß ich nicht mehr, weil ich nämlich einschlief. Es wird euch vielleicht wundern, wieso man in einer so aufregenden Situation einschlafen kann, aber ihr müßt bedenken, daß ich seit dem Augenblick, als mich die Seeräuber fingen, kaum ein Auge zugetan hatte vor Angst und auch wegen der Kälte des Windes. Unter der Decke war es warm und dunkel und - kurz, ich schlief ein.
    Plötzlich schreckte ich auf. Ich hörte entsetzlichen Lärm. Es war ein Rattern und ein Zischen und ein Kreischen, ihr könnt es euch nicht vorstellen. Und dazu wurde mein Käfig hin-und hergeschüttelt, und dann ging es hinauf und hinunter, daß mir im Magen so komisch wurde, als säße ich in einer Achterbahn. Das dauerte vielleicht eine halbe Stunde, dann hörte es

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