Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
ereignen wird. Fing Pong kann ja ein anderes Mal nach Lummerland fahren, diesmal soll er für mich regieren.«
Aber der winzige Oberbonze war nirgends zu entdecken. Sie suchten den ganzen Hafen nach ihm ab, und schließlich fanden sie ihn. Er saß in einer der kleinen Kutschen und war, von den ungeheuren Anstrengungen des Tages erschöpft, fest eingeschlafen.
»Höre, Fing Pong«, sagte der Kaiser sanft.
Der Oberbonze fuhr auf, rieb sich die Augen und fragte etwas weinerlich:
»Ja - bitte - ist etwas nicht in Ordnung?«
»Es tut mir leid, daß ich dich wecken muß«, fuhr der Kaiser lächelnd fort. »Wir möchten uns nur von dir verabschieden. Du wirst mich während meiner Abwesenheit vertreten. Ich weiß, daß ich mich auf dich verlassen kann.«
Fing Pong verneigte sich tief vor dem Kaiser und der kleinen Prinzessin. Dabei fiel er vor lauter Verschlafenheit beinahe um. Jim konnte ihn gerade noch halten. Er schüttelte ihm die winzige Hand und sagte:
»Besuch uns auch bald mal, Ping Pong!«
»Und grüße Herrn Schu Fu Lu Pi Plu von uns!« fügte Lukas hinzu.
»Sehr gern«, murmelte Ping Pong, dem die Augen schon wieder zufielen. »Gewiß werde ich das tun - ich werde alles tun - alles - sobald meine Pflichten - oh, ihr ehrenwerten Lokomotivführer - lebt über alle Maßen wohl - und - und - und -«
Dabei gähnte er und piepste: »Entschuldigt bitte, aber ihr wißt ja, ein Säugling in meinem Alter …«
Damit war er eingeschlafen, und sein leises Schnarchen hörte sich an wie das Zirpen einer Grille.
Als die beiden Freunde mit Li Si und dem Kaiser auf ihr Schiff gingen, fragte Lukas:
»Meinen Sie, daß Ping Pong den Regierungsgeschäften gewachsen ist?«
Der Kaiser nickte lächelnd:
»Ich habe alles vorbereitet. Es kann nichts passieren. Es soll eine Auszeichnung für den kleinen Oberbonzen sein, weil er so tüchtig war.«
Dann schauten sie noch nach, ob Emma, die die Matrosen inzwischen auf das Schiff transportiert hatten, auch gut untergebracht war. Sie stand auf dem Hinterdeck und war mit Seilen fest angebunden, damit sie nicht herunterrollen konnte, wenn das Schiff auf den Wellen schaukelte. Sie schlief auch schon und schnaufte leise und regelmäßig vor sich hin. Es war alles in bester Ordnung.
Dazu spielte eine mandalanische Musikkapelle ein Abschiedslied.
Also wünschten die beiden Freunde dem Kaiser und Li Si eine gute Nacht, dann gingen sie alle in ihre Kajüten und legten sich schlafen.
Als sie am nächsten Morgen erwachten, schwamm das Schiff schon weit draußen auf dem Meer. Es war strahlendes Wetter. Ein kräftiger, anhaltender Wind blähte die riesigen Segel. Wenn es so blieb, dann würde die Rückfahrt nach Lummerland nicht einmal halb so lange dauern wie damals die Reise auf der Emma nach Mandala.
Nach dem Frühstück, das sie mit dem Kaiser und der kleinen Prinzessin gemeinsam einnahmen, gingen Jim und Lukas zum Kapitän auf die Kommandobrücke hinauf und erklärten ihm die Sache mit der schwimmenden Insel, die ihnen am zweiten Tag pünktlich um zwölf Uhr mittags bei 321 Grad 21 Minuten und l Sekunde westlicher Länge und 123 Grad 23 Minuten und 3 Sekunden nördlicher Breite begegnen sollte. Der Kapitän, dessen Gesicht so von Wind und Wetter gegerbt war, daß die Haut aussah wie ein alter lederner Handschuh, sperrte vor Staunen Mund und Nase auf.
»Da soll mich doch gleich ein betrunkener Haifisch beißen!« brummte er. »Ich fahre jetzt schon ein halbes Jahrhundert zur See, aber eine schwimmende Insel hab’ ich noch nie gesehen. Woher wißt ihr denn so genau, daß morgen mittag gerade dort eine vorbeikommt?«
Die beiden Freunde sagten es ihm. Der Kapitän kniff ein Auge zu und knurrte: »Ihr wollt mich wohl verulken?«
Aber Jim und Lukas versicherten, daß es ihr voller Ernst sei.
»Na«, sagte der Kapitän schließlich und kratzte sich hinter de m Ohr, »wir werden ja sehen. Wir kommen nämlich sowieso morgen mittag genau über den Punkt, den ihr angegeben habt. Falls das Wetter so bleibt.«
Die beiden Freunde stiegen wieder zum Kaiser und der kleinen Prinzessin hinunter. Dann setzten sie sich an eine windgeschützte Stelle auf das Vorderdeck und spielten zu viert Mensch-ärgere-dich-nicht. Li Si kannte das Spiel noch nicht, und Jim erklärte es ihr. Und nachdem sie es zweimal gespielt hatten, konnte sie es schon besser als die drei anderen und gewann in einem fort. Jim wäre es lieber gewesen, wenn sie sich ein wenig ungeschickt angestellt hätte. Dann hätte er ihr
Weitere Kostenlose Bücher