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Joe Golem und die versunkene Stadt

Joe Golem und die versunkene Stadt

Titel: Joe Golem und die versunkene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Mignola
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halb überfluteten Trümmern des alten New Yorks überragt, brach das Wesen, das Felix Orlov gewesen war, aus dem Wasser und brüllte seine Pein in den Kosmos. Seine Schreie zerrissen Molly schier das Herz, und sie bemerkte, dass der Schmerz in diesen Schreien sie zum Weinen brachte. Es spielte keine Rolle, dass eine Stimme wie die, mit der er sprach, in ihrer Dimension seit dem Anbeginn der Zeit nicht mehr vernommen worden war; Molly spürte seine Qualen und seine Orientierungslosigkeit, und sie erfüllten Molly mit Trauer. Irgendetwas in diesem Geschöpf war noch immer der Mann, der sich so freundlich und mit so viel warmherzigem Humor um sie gekümmert hatte.
    »Felix!«, rief sie. »Du darfst nicht aufgeben! Alles wird gut!«
    Kaum hatte sie diese Worte gerufen, schlug sie sich die Hand vorden Mund, als hätte sie versehentlich ein schlimmes Wort hervorgestoßen. Was redete sie da für Dummheiten? Nichts wurde gut für Felix. Schon der Gedanke war absurd. Eigentlich hatte sie ihm sagen wollen, dass er nicht allein sei   – aber auch das stimmte nicht.
    Molly stützte sich mit den Händen auf den kalten Stein, schob den Kopf über den Rand der Brüstung und blickte vom Dach hinunter. Das Wesen schien nicht zu schwimmen, sondern eher auf dem Fluss zu treiben; die Hälfte seines Körpers befand sich oberhalb der Wasserlinie. Die Wellen und die Strömung schienen es nicht zu beeinträchtigen. Die Tentakel, die dort saßen, wo sein Gesicht hätte sein sollen, ringelten sich ein und streckten sich dann wieder zum Himmel, als wartete es darauf, dass Engel zu seiner Rettung kämen. Erst als Molly die seltsame Ansammlung von Gliedmaßen sah, die sich unter dem Wasser ringelten, begriff sie, wie riesig Felix geworden war. Unter Wasser nahm er offenbar die gesamte Kreuzung ein, und er schien immer noch zu wachsen.
    Eine Stimme erhob sich aus dem Chaos, ein tiefer Bariton. Die Stimme sang. Molly fuhr herum. Dr. Cocteau hatte sich von den Knien erhoben und stand jetzt dreißig Fuß von ihr entfernt am Rand des Daches. Mit beiden Händen hielt er das Pentajulum wie eine Opfergabe erhoben. Er hatte die Augen geschlossen, und trotz seines blutbefleckten Bartes und des Rußes auf Gesicht und Kleidung wirkte er beinahe beeindruckend in seiner Hingabe.
    Rings um ihn warteten die Gas-Männer. Einige von ihnen waren auf den Beinen, andere hatten die kniende Haltung ihres Herrn nachgeahmt und verharrten jetzt so, als beteten sie ihn an   – dieses Monster, das Menschen zu etwas gemacht hatte, das niemals hätte existieren dürfen. Einer von ihnen hatte sich verwandelt. Sein Gummianzug lag leer da, und gelbes Gas stieg von ihm auf. Ein langer, schwarzgrüner Egel glitt darüber, kroch von der Gasmaske fort und hinterließ eineSpur aus Blut und ekligem Schleim. Er musste beim Kampf in Cocteaus Versteck verletzt worden sein oder während des Bebens, als sie die Treppe hinaufgerannt waren.
    Molly atmete tief durch und erhob sich. Sie schlug sich mit den Handballen gegen den Kopf, damit sie endlich aufhörte, Felix’ gequältem Heulen zu lauschen, und sich nicht mehr ausmalte, wie überall ringsum Menschen starben. Sie durfte nicht mehr an das Blutbad des Untergangs von Uptown denken, aber sie bekam die Gedanken einfach nicht aus dem Kopf, und vielleicht war es so am besten, denn sie trieben sie an. Das Gebäude schüttelte sich, aber nicht so heftig, dass Molly davon gestürzt wäre.
    »Was haben Sie getan?«, schrie sie.
    Dr. Cocteau stockte, blickte in ihre Richtung und senkte das Pentajulum. Er hielt es schützend vor sich, dieses Artefakt   – das Einzige, was ihm auf der ganzen Welt noch etwas bedeutete. Molly schob sich an zwei Gas-Männern vorbei. Die brutalen Geschöpfe hielten sie nicht auf; ohne einen Befehl ihres Herrn waren sie wenig mehr als Spielzeugsoldaten.
    »Verschwinde, du dumme Göre!«, schrie Cocteau mit sich überschlagender Stimme. »Ihr habt alles verdorben, du und dein Joe. Vielleicht ist es noch nicht zu spät, aber wenn ich das Pentajulum nicht aktivieren kann   …«
    »Es lässt sich nicht aktivieren, Sie dämlicher Mistkerl!«, schrie Molly ihn an. »Das alles hier haben Sie für nichts verbrochen!« Mit einer weit ausholenden Bewegung schwenkte sie den Arm über das Katastrophen-Szenarium ringsum. »All diese Menschen sterben, und die Stadt wird vernichtet, nur weil Sie etwas ausgelöst haben, von dem Sie glaubten, Sie könnten es steuern, aber das können Sie nicht!«
    Dr. Cocteau lachte auf; in

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