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Korsar meiner Träume

Korsar meiner Träume

Titel: Korsar meiner Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Beattie
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1
    Nevis, in der Karibik, 1660
     
    Claire Gentry stieß die schwere Tür auf und bahnte sich ihren Weg durch die vollgestopfte Kneipe, durch taumelnde Betrunkene hindurch – obwohl die Sonne noch nicht einmal ganz untergegangen war – und hinüber zu dem Tisch, an dem sich ihr Schicksal entscheiden sollte. Claire setzte sich hin, ohne den drei anderen Männern, die um den Tisch herumsaßen, mehr als ein Nicken zu widmen.
    »Bist du sicher, dass du hier richtig bist, Junge? Das hier ist ein Spieltisch, und der Einsatz ist hoch. Schon größere Männer als du wollten hier mitmischen und wurden rausgeschmissen!«
    Mit kühlem Blick kramte Claire in ihrer Jackentasche und warf zwei Handvoll Münzen auf die zerkratze Oberfläche.
    »Ich bin dabei«, antwortete sie mit leiser Stimme. Nicht viele Leute betrachteten ihre schmutzigen Kleider und ihr Gesicht genauer, und so hatte sie mit den Jahren gelernt, dass die Menschen meistens das sahen, was sie erwarteten. Und da sie nicht erwarteten, dass eine junge Frau kühn genug war, wie ein abgerissener Matrose in solch ein Etablissement zu marschieren, sahen sie auch keine. Dank dieser Ignoranz hatte Claire während der letzten paar Jahre überlebt.
    Sie war vor ihrer heuchlerischen Ehe davongelaufen und vor diesem verlogenen Mistkerl, der sie mit einem Trick dort hineingelockt hatte, und war nun entschlossen, sich nie wieder auf irgendjemanden zu verlassen. Ihre Zukunft, ihr Leben gehörten nur ihr selbst, und bei Gott, niemand würde sie jemals wieder im Stich lassen. Als sie nun jedoch auf die glänzenden Münzen schaute und daran dachte, wie schwer es gewesen war, dieses Geld zu erarbeiten, und wie lange sie gebraucht hatte, um es zusammenzusparen, da konnte Claire nur hoffen, dass sie nicht im Begriff war, sich selbst im Stich zu lassen.
    Sie hatte lange und intensiv nach der fehlenden Hälfte der Karte gesucht, und als bekannt wurde, dass die Karte heute hier sein würde, da hatte Claire alles mitgenommen, was sie besaß. Es lag jetzt alles vor ihr auf dem Tisch.
    Der Mann zu ihrer Rechten pfiff durch seine Zähne.
    »Sieht ganz so aus, als ob er hier am richtigen Tisch wäre!«, sagte er.
    »Wo ist die Karte?«, fragte Claire und behielt ihre Münzen noch bei sich. Sie würde sie so lange nicht in die Mitte schieben, bis sie das sah, weswegen sie gekommen war.
    »Glaubst du etwa, du bist Manns genug, um diesen Schatz zu finden, Bursche?«
    »Man braucht keine Muskeln, um den Schatz zu finden, sondern Köpfchen. Und davon habe ich mehr als genug.«
    Die Männer, die um den Tisch herum im Kreis standen und neugierig waren, wer auf den Teil einer Schatzkarte setzen würde, brachen bei Claires spöttischer Bemerkung in schallendes Gelächter aus. Obwohl der Mann ihr gegenüber feixte und sein Grinsen einen Teil seines breiten Gesichtes vereinnahmte, zeigten seine grauen Augen doch nur wenig Belustigung. Als sein Blick auf sie fiel, scharf wie das Messer, das Claire in ihrem Stiefel versteckt hatte, fühlte es sich an wie ein kalter Schlag auf die Wangen.
    »Du redest, als ob du bereits wüsstest, was auf der Karte verzeichnet ist.«
    Er beugte sich nach vorn, und sein klebriger Atem trieb über die Tischplatte und stieg Claire in die Nase.
    »Wie kann das sein, wenn man bedenkt, dass die Karte mindestens fünfmal so alt ist wie du?«
    Claire wusste, sie musste vorsichtig sein. Er hatte recht. Sie hatte sich, dank ihres Vaters, die eine Hälfte der Karte ins Gedächtnis eingeprägt, aber es wäre mehr als dämlich von ihr, dies irgendjemanden wissen zu lassen. Es würde sie wahrscheinlich das Leben kosten.
    Sie zuckte die Achseln.
    »Hörensagen, das ist alles.«
    Seine Augen verengten sich, doch er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Langsam atmete Claire aus.
    »Das Hörensagen wird dich noch umbringen«, kam ein Grollen von ihrer linken Seite.
    Sie sah über den letzten Stuhl hinweg, denjenigen, der noch besetzt werden musste, auf den Mann, der gesprochen hatte. Sie beobachtete ihn, als er ein zerknittertes Stück Papier hervorzog und es vor sich ausbreitete. Claires Magen drehte sich um.
    »Aber die Karte ist echt, und falls du darum spielen willst, dann musst du dafür bezahlen«, sagte der Mann mit heiserer Stimme, die klang, als ob er sie seit langer Zeit nicht mehr benutzt hätte.
    Claire betrachtete ihn neugierig. Seine Haare und sein Bart waren schwarz, die Augen dunkelblau. Es war eine auffällige Kombination, eine, die durch die Leere, die sie in seinen Augen

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