Joe Golem und die versunkene Stadt
packte das rostige Metall.
Entschlossen hielt sie sich fest, verstärkte ihren Griff und hievte sich schließlich aus dem Wasser. Als sie auf der Plattform stand, rüttelte ein Erdstoß die Leiteranlage durch, doch Molly ergriff das Geländer. Auf keinen Fall würde sie sich hinunterschleudern lassen. Am anderen Ende hatte die Leiteranlage sich teilweise aus der Verankerung gelöst, aber im Augenblick hielt sie, und noch war Molly in Sicherheit.
Sie versuchte sich zu orientieren und blickte flussaufwärts zu der Kreuzung, wo das Felix-Wesen sich noch immer halb aus dem Wasser streckte; es war noch größer geworden. Mit den Gesichtstentakeln tastete es nach den Ranken, die von der Manifestation des alten Gottes in dem Riss im Himmel herunterhingen. Felix’ Körper hatte an Festigkeit verloren, er war schwammiger geworden, und als Molly blinzelte, wurde er merkwürdig durchscheinend, als existiere er, aus bestimmten Winkeln betrachtet, nicht ganz in dieser Welt.
Molly beugte sich vor und schaute zu dem Dach hinüber, von dem sie mit Dr. Cocteau heruntergestürzt war. Die Gas-Männer standen noch da, in einer Reihe an der Dachkante wie Vögel auf einem Kabel. Sie blickten durch ihre ausdruckslosen Linsen in den Masken, die die Gräuel verdeckten, die Cocteau an ihnen verübt hatte. Eigentlich hatte Molly erwartet, dass die Kreaturen ebenfalls in den Fluss sprangen, als Cocteau und sie in die Tiefe fielen, wie Lemminge, die einander in den Tod folgten.
Cocteau , dachte sie. Wo ist er?
Sie blickte flussabwärts, weil sie vermutete, dass er davongetrieben worden war. Erst als sie wieder zur Kreuzung schaute, sah sie die hagere Gestalt, die sich in der relativen Sicherheit eines überwölbten, zerbrochenen Fensters bewegte und sich dort duckte wie eine Ratte in der Ruine eines Hauses, in dem einmal normale Menschen gelebt oder gearbeitet hatten. Die Fensterscheibe war zerschmettert, und auch vom Rahmen kaum etwas übrig. Cocteaus Bart und Haar waren verfilzt und nicht mehr weiß, sondern grau von der Nässe. Seine burgunderrote Jacke trug er nicht mehr, und das teure Hemd klebte an dem vorgewölbten Bauch.
Mit der linken Hand hielt er Lectors Pentajulum hoch zum Himmel, als könne er damit über Blitz und Sturm gebieten. Seine Lippen bewegten sich, und wenngleich seine Worte übertönt wurden, wusste Molly, dass er mit dem gleichen seltsamen Ritual wie auf dem Dach versuchte, sich das Pentajulum dienstbar zu machen. Enttäuschung und Wut schnitten ihm hässliche Linien ins Gesicht.
Schließlich ließ er die Hand sinken und verstummte für einen Moment. Dann schrie er den Himmel an wie ein Kind bei einem Wutanfall. Versuchte er, die Aufmerksamkeit des Felix-Geschöpfes auf sich zu lenken? Oder die des alten Gottes, der in diese Welt geglitten war, durchdrungen von der Bedrohlichkeit und Verdorbenheit einer Realität, in der Zerfall und Nichts natürlich waren?
Dass keiner von ihnen Cocteau Beachtung schenkte, schien in dem Wahnsinnigen etwas zerbrochen zu haben. So wie er die Wesen aus dem undimensionalen Raum anschrie, machte er auf Molly eher den Eindruck eines Narren als den eines gemeingefährlichen Irren.
Plötzlich schien er Mollys Blick zu spüren und fuhr herum. Kaum sah er sie, spießte er sie mit einem Blick auf, der von mörderischem Hass erfüllt war. Er öffnete den Mund und brüllte irgendetwas, doch er war bereits heiser, und das Chaos ringsum übertönte seine Stimme.
Bebend, das Pentajulum fest umklammernd, sprang er aus der Fensteröffnung ins Wasser zurück, tauchte an die Oberfläche und schwamm mit einer Hand, ließ sich aber vor allem von der turbulenten Strömung zu Mollys sicherem Platz auf der Feuerleiter treiben. Sie schaute nach oben. Sollte sie klettern, um ihm zu entkommen?
Dann aber schlug etwas in ihrem Innern um, wurde kalt und hart. Sie weigerte sich zu fliehen. Stattdessen stand sie wartend da, am ganzen Körper angespannt von der Bereitschaft zur Gewalt.
»Na dann los!«, rief sie ihm zu, als er sich an der Außenseite der Leiteranlage hinaufzog. »Die ganze Stadt zerfällt! Was wollen Sie machen? Mich schneller umbringen? Ich sterbe sowieso!«
Mit der furchteinflößenden Behändigkeit, die er zuvor schon an den Tag gelegt hatte, kletterte Cocteau über das Geländer und landete nur wenige Fuß von Molly entfernt. Trotz seiner Größe war etwas geradezu Spinnenhaftes an der Art, wie er aus dem Wasser gestiegen war. Sein Knie machte ihm offenbar keine Schwierigkeiten mehr. Er
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