John Puller 01 - Zero Day
schon besser, aber auch schon schlechter gegangen.«
»Ausgleich ist im Leben wichtig.«
»Zweiundneunzig und vierundneunzig. Was bedeuten für dich diese Zahlen?«
»Es sind gerade Zahlen.«
»Versuch’s aus anderem Blickwinkel.«
»Erkläre mir wenigstens den Zusammenhang.« Roberts Stimme hörte sich jetzt nach echtem Interesse an, nicht nur nach beiläufiger Neugierde.
»Wissenschaft. Dein Fachgebiet.«
Auf der Uhr verstrichen zwei Sekunden.
»Zweiundneunzig ist die Ordnungszahl für Uran. Vierundneunzig ist die Ordnungszahl für Plutonium.«
»Genau darauf bin ich auch gekommen.«
»Wieso?«
»Rein hypothetisch.«
»Ach ja?«
»Welche Sorte von Uran und Plutonium bräuchte man, um eine Atombombe zu bauen?«
»Was?«
»Beantworte einfach die Frage.«
»Meine Güte, was hast du denn diesmal am Hals, John?«
Pullers Bruder nannte ihn nicht oft John. Meistens bezeichnete der Ältere ihn als »Brüderchen«, manchmal rief er ihn auch »Kleiner«. Letzteres war allerdings stark aus dem Gebrauch gekommen, weil es an ihren Vater erinnerte.
»Gib mir schlichtweg deine treffendste Antwort.«
»Man braucht vieles. Das meiste kann man kaufen. Anderes lässt sich herstellen. Hat man Zeit und Sachkenntnis, ist es nicht einmal allzu kompliziert. Schwierig ist lediglich die Beschaffung des erforderlichen nuklearen Brennstoffs. Davon gibt es nur zwei Sorten.«
»Uran und Plutonium.«
»Richtig. Um eine Atombombe zu bauen, braucht man hochangereichertes Uran beziehungsweise U235. Voraussetzungen sind eine Fabrik, viel Geld, etliche Wissenschaftler und mehrere Jahre Zeit.«
»Und Plutonium?«
»Sollten wir wirklich über solche Dinge reden? Das Telefonat wird mitgehört.«
»Niemand hört mit, Bobby«, widersprach Puller. »Ich habe veranlasst, dass man darauf verzichtet.«
Sein Bruder schwieg lange. »Dann würde ich sagen, deine Fragen sind in Wahrheit alles andere als rein hypothetischer Natur.«
»Was ist mit Plutonium?«
»Plutonium 239 gewinnt man überwiegend aus dem strahlungsaktiven Uran eines atomaren Brutreaktors. Eigentlich läuft es so ab, dass man reaktorfähiges Plutonium 240 um ein Neutron reduziert.«
»Es ist also ebenfalls schwierig zu erhalten.«
»Für den Mann auf der Straße ist es unmöglich. Wer hat schon einen atomaren Brüter in seinem Hintergarten stehen?«
»Aber es ließe sich besorgen?«
»Ich vermute, man kann es stehlen oder auf dem Schwarzmarkt kaufen.«
»Wie sieht es in den Vereinigten Staaten aus? Wie beschafft man es bei uns?«
»Die einzige regierungseigene Diffusionsanlage befindet sich in Paducah in Kentucky. Allerdings dient sie dem Zweck, Uran für die Verwendung als Brennstoff in Kernkraftwerken anzureichern, und das ist ein völlig andersartiges Verfahren.«
»Könnte Uran bei diesem Verfahren auch höher angereichert werden? Um dann als Brennstoff für eine Atomwaffe zu dienen?«
»In Paducah ist man darauf eingerichtet, Uran für Atomkraftwerke anzureichern, nicht für Atombomben.«
Puller blieb hartnäckig. »Aber könnte eine Anlage wie in Paducah Uran auch hochgradig anreichern?«
»Theoretisch ja.« Robert schwieg kurz. »Wohin führt das alles?«
»Wie viel U235 ist erforderlich, um eine Kernwaffe zu konstruieren?«
»Das kommt darauf an, welchen Typ von Kernwaffe man bauen und welche Art von Methode man anwenden will.«
»Ein knapper Überblick genügt mir«, sagte Puller.
»Für eine einfach konstruierte Bombe mit dem gleichen Wirkungsgrad wie über Nagasaki bräuchte man zwischen fünfzehn und fünfzig Kilogramm Uran oder sechs bis neun Kilogramm Plutonium. Falls die Konstruktion der Nuklearwaffe mit höchster Herstellungsqualität erfolgt und die Bombe perfekt ausfällt, dürften ungefähr neun Kilo Uran oder knapp zwei Kilo Plutonium genügen.«
»Und was besagte das für Nagasaki?«
»Eine Sprengkraft von mehr als einundzwanzigtausend Tonnen Dynamit plus anschließenden radioaktiven Fallout. Oder zweiundvierzig Millionen Kilo TNT . Also Massenvernichtung.«
»Und mit ein wenig mehr Uran oder Plutonium?«
»Das Resultat verändert sich exponentiell. Alles hängt von der Konstruktion ab. Man kann sich auf die Methode der Detonationszündung beschränken, die wenig taugt, obwohl sie beim ersten Atombombenabwurf auf Japan zur Anwendung kam. Man hat ein langes Rohr. In das eine Ende füllt man die Hälfte der nuklearen Ladung und konventionellen Sprengstoff dahinter. In das andere Ende kommt die zweite Hälfte. Sobald der
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