John Puller 01 - Zero Day
bringe. Aber keinesfalls länger als ein paar Tage.«
»Liegt Ihnen schon eine Nachricht aus diesem tollen Labor in Atlanta vor?«
»Nichts Bedeutsames über Aktentasche und Laptop. Die anderen Materialien sind wohl gerade erst eingetroffen. Die Leute dort sind wirklich gut, aber auch sie brauchen Zeit. Ich frage heute nach und lasse Sie es wissen, falls man etwas herausgefunden hat.«
»Was ist mit der Firma in Ohio, die Bodenproben untersucht?«
»Das Institut öffnet um neun. Also rufe ich um Punkt neun Uhr noch einmal an.«
»Ohne gerichtliche Anordnung wird man Ihnen vielleicht keine Auskunft geben.«
»Kann sein. Aber so ein Dokument können wir uns schnell besorgen.«
Cole schwieg. Sie trank Kaffee und beobachtete die übrigen Gäste der Krippe . Puller musterte sie. »Meine Frage bezüglich Randys und der Morddrohungen gegen Trent haben Sie bisher leider nicht beantwortet.«
»Nach meiner Ansicht muss man kein Weltklassedetektiv sein, um sich darauf einen Reim zu machen.«
»Trent hat den Tod Ihrer Eltern verschuldet. So und nicht anders sieht es wahrscheinlich Randy. Er glaubt, jeden Grund zum Aufstand zu haben. Die früheren Morddrohungen stammen also von Randy. Sie haben wegen der Drohungen ermittelt und den Urheber festgestellt. Dann haben Sie sich mit ihm befasst, und heute möchten Sie nicht mehr darüber sprechen.«
»Das ist eine sehr gelungene Einschätzung.«
»Gut, kommen wir zur nächsten Frage. Ist er auch der Urheber der neuen Morddrohungen?«
»Ich bezweifle es.«
»Völlig sicher sind Sie aber nicht?«
»Ich bin lange genug Polizistin, um zu wissen, dass jeder gewalttätig werden kann, wenn er ein ausreichend starkes Motiv hat.«
»Möchten Sie, dass ich mit ihm spreche?«
Cole schüttelte den Kopf. »Diese Untersuchung geht Sie nichts an, Puller. Sie sind einzig und allein aus einem Grund hier.«
»Woher wollen Sie wissen, dass es keine Verbindung zur Ermordung der Familie Reynolds gibt? Und dafür bin ich zuständig.«
»Welcher Zusammenhang sollte da bestehen?«
»Keine Ahnung. Deshalb betreiben wir ja Ermittlungen. Gestatten Sie mir, mich mit Randy zu unterhalten?«
»Ich werde es mir überlegen. Im Moment weiß ich allerdings nicht einmal, wo er steckt.«
»Kommt er selbst für sein Leben auf? Abgesehen davon, dass er die Hinterlassenschaft Ihrer Eltern aufzehrt?«
»Er übernimmt Gelegenheitsjobs.«
»Ist Roger der Meinung, dass Randy auch für die neuen Morddrohungen verantwortlich ist? Hat er sich deshalb direkt an Sie gewandt?«
»Wahrscheinlich«, räumte Cole ein.
»Wann kehrt Trent zurück?«
»Weiß ich nicht. Schließlich führe ich nicht seinen Terminkalender.«
»Nach meinem Dafürhalten ist der heutige Vormittag der günstigste Zeitpunkt, um das Büro zu besuchen, in dem Molly Bitner gearbeitet hat, und dort ein paar Fragen zu stellen.«
»Beschäftigt Sie tatsächlich der Verdacht, ihre und Treadwells Ermordung könnte mit dem Mord an der Familie Reynolds zusammenhängen? Ich meine, außer in der Hinsicht, dass sie vielleicht etwas gesehen haben?«
»Genau das gilt es zu klären. Aber eins gebe ich unumwunden zu: Ich glaube nicht an Zufälle.« Puller und Cole drehten den Kopf in die Richtung der Frontverglasung, als vor der Krippe ein hellsilberner Mercedes SL 600 ausrollte. Wegen des aufgeklappten Verdecks konnte man die Fahrzeuginsassen deutlich erkennen.
»Wenn man vom Teufel spricht …«, sagte Puller. »Da fahren doch wahrhaftig Ihre Schwester und Ihr Bruder gemeinsam in einem tollen Schlitten vor.«
44
Als Jean Trent und Randy Cole die Krippe betraten, wandten sich ihnen an sämtlichen Tischen die Gesichter zu. Jean trug einen kurzen blauen Rock, eine weiße, ärmellose Bluse und Schuhe mit zehn Zentimeter hohen Absätzen. Obwohl sie im offenen Mercedes gefahren war, hatte sie eine tadellos adrette Frisur, und ihr Make-up wirkte sachkundig aufgetragen. Ein Schwall ungewohnten Glamours schien in die Krippe zu wehen und verursachte wahrscheinlich allen Anwesenden, von den Angehörigen der Arbeiterschicht bis hin zu den Bürohengsten, ein gewisses Schwindelgefühl. Man hätte meinen können, ein Filmstar ließe sich dazu herab, in Drake, West Virginia, ein Frühstück zu verzehren.
Sie lächelte und winkte Leuten an verschiedenen Tischen zu. Randy dagegen ging der Vorwitz des gestrigen Abends heute gänzlich ab. Er schlurfte mit den Füßen und stierte auf den Boden. Seine Bekleidung bestand im Wesentlichen aus einer schmutzigen
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