John Workmann - Vom Zeitungsjungen zum Millionär
um mich.«
Damit ging er durch die dunklen Straßen zu seinem Arbeitsplatz – zum Broadway. –
2. Kapitel
Als John Workmann zu dem Platz seiner Kameraden kam, beantwortete er ihren lauten Gutenmorgengruß mit einem stillen Nicken des Kopfes. Dann winkte er ihnen mit der Hand zum Zeichen, daß sie ihm folgen sollten.
Die Jungen waren gewohnt, John Workmann zu folgen. Er war unter ihnen unzweifelhaft der Intelligenteste, und manch einer der Jungen hatte sich von ihm schon Rat und Auskunft geholt. Die Jungen folgten ihm unter die Halle, welche von dem strahlenden Licht aus dem Maschinenraum erleuchtet war. John Workmann lehnte sich gegen eine der mächtigen Scheiben und sagte mit lauter Stimme, damit sie jedes Wort trotz der polternden und stampfenden Maschine hören konnten:
»Wenn einer von euch Charly Beckers noch einmal sehen will, dann kann er heute mittag nach der Schule mit mir kommen. – Charly Beckers wird heute sterben.« Es war, als ob plötzlich die Winterkälte sich auf diese Schar lebensfrischer und lebensmutiger Jungen mit ihrem eisigen Hauch gelegt hätte. Das frohe Lachen war aus den frischen Gesichtern verschwunden. Die Augen blickten ernst, und keiner von ihnen vermochte John Workmann etwas zu antworten. Sie wußten alle, daß Charly Beckers krank war, aber daß er so jung sterben sollte, war für sie etwas Unfaßbares.
»Kommt ihr mit?« fragte John Workmann.
Da nickten alle Jungen mit dem Kopf, als Zeichen, daß keiner von ihnen zurückbleiben würde.
An diesem Morgen mochten sich die New Yorker darüber wundern, daß keiner der Zeitungsjungen mit dem gewöhnlichen gellenden Indianergeheul die Zeitungen ausrief, sondern daß sie mit merkwürdigem Ernst ihr Geschäft ausübten.
John Workmann hatte nur die Morgenausgabe besorgt, dann war er, so schnell ihn seine Füße trugen, zu dem kleinen Beckers geeilt.
Als er in dessen Schlafraum kroch, lag der Kleine mit Fieberwangen und weitgeöffneten Augen auf seinem Lager. Er war so schwach, daß er kaum den Kopf emporheben konnte.
»Ich bin’s, Charly«, sagte John Workmann und hockte sich ganz dicht an das Lager des Kranken. – »Erkennst du mich?«
»Ja«, hauchte Charly Beckers, »ich habe schon gewartet. Kurz bevor du kamst, träumte ich von einem goldenen Engel, der durch die Tür hereinkam und mich mit sich nehmen wollte. Und dann bekam ich wieder furchtbare Angst und wachte auf. – – – Gut, daß du da bist.«
John Workmann nahm die neben dem Bett stehende Medizinflasche und flößte Charly Beckers einige Tropfen zwischen die Lippen.
»Hast du noch Schmerzen?«
»Nein«, flüsterte Charly Beckers, »mir tut gar nichts weh. Ich glaube, ich werde jetzt wieder gesund.«
John Workmann versuchte zu lächeln. »Natürlich wirst du wieder gesund, und jetzt probier mal, ob du einen von den Äpfeln essen kannst, die ich dir mitgebracht habe.«
Er gab Charly Beckers in jede Hand einen Apfel, was dieser aber nicht beachtete.
»Ich habe mir schon Sorge gemacht«, flüsterte er, »was aus meinen Sachen werden sollte. – – Weißt du, hier unter meinem Kopfkissen habe ich sieben Dollar liegen, die ich mir erspart habe. – Und dann in der kleinen Kiste dort in der Ecke habe ich allerlei Dinge gesammelt. – Da ist eine Tabakspfeife, die ich am Broadway fand. – Auch ein Notizbuch und ein Taschenmesser und sonstige Kleinigkeiten. Ich will das später alles einmal, wenn ich reich werde, gebrauchen. Sieh mal, John, dann ist es doch ganz gut, wenn man schon ein Taschenmesser und ein Notizbuch besitzt, da braucht man es sich nicht erst zu kaufen. Und reiche Leute haben solche Sachen! – Ich denke mir, wenn man das hat, kann man auch Millionär werden. Nicht wahr?«
»Ganz gewiß, Charly. – Du wirst Millionär.«
»Weißt du, John«, flüsterte Charly weiter, »am meisten hätte ich mich gefürchtet, wenn man mich wie arme Leute in ein Massengrab geworfen hätte.
Ich habe es mir immer am schönsten vorgestellt, wie der reiche Harriman in einem eigenen Grabe zu liegen, und ein großer Stein muß auf dem Hügel stehen, daß alle Leute sagen: Hier liegt Charly Beckers, der Millionär.«
John Workmann streichelte ihm die Stirn und sagte:
»Das wirst du alles haben, mein lieber Charly! Sprich nur nicht soviel, der Doktor hat es verboten.«
»War denn ein Doktor hier?«
»Ja, Charly!«
»Ein wirklicher Doktor?«
»Ein wirklicher Doktor!«
»Aber wer hat ihn bezahlt?«
»Ich habe ihn bezahlt.«
»Wieviel hat das gekostet?«
»Fünf
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