Jonathan Strange & Mr. Norrell
Einklang zu stehen, so dass Mr. Segundus erneut das unangenehme, aber hartnäckige Gefühl hatte, Kerzen oder mehr Fenster oder ein weiteres Feuer müssten das Licht spenden. Durch die Fenster blickte man hinaus auf eine weite Landschaft aus dämmrigem englischem Regen, und Mr. Segundus konnte weder etwas erkennen, noch hatte er eine Ahnung, wo im Haus sie sich aufhielten.
Der Raum war nicht leer; an einem Tisch saß ein Mann, der sich erhob, als sie eintraten, und den Mr. Norrell kurz als Childermass vorstellte, seinen Mann der Geschäfte.
Mr. Honeyfoot und Mr. Segundus, die ja selbst Zauberer waren, musste nicht erklärt werden, dass die Bibliothek von Hurtfew Abbey ihrem Hausherrn kostbarer war als alle seine anderen Besitztümer; und es erstaunte sie nicht, dass Mr. Norrell ein wunderschönes Schmuckkästchen für seinen liebsten Schatz eingerichtet hatte. Die Bücherschränke, die die Wände des Raums bedeckten, waren aus englischen Hölzern und erinnerten an mit Schnitzereien verzierte gotische Bögen. Da waren Schnitzereien von Blättern (vertrocknete und eingerollte Blätter, als hätte der Künstler den Herbst darstellen wollen), von ineinander verschlungenen Wurzeln und Ästen, von Beeren und Efeu – alles wunderbar gearbeitet. Aber das Wunder der Bücherschränke war nichts verglichen mit dem Wunder der Bücher.
Das Erste, was ein Student der Zauberei lernt, ist, dass es Bücher über Zauberei und Zauberbücher gibt. Das Zweite, was er lernt, ist, dass ein vollkommen achtbares Exemplar von Ersterem bei einem guten Buchhändler für zwei bis drei Guineen zu haben ist, und dass Letztere mehr kosten als Rubine. 5 Die Sammlung der Gilde von York galt als vorzüglich, nahezu bemerkenswert; darunter befanden sich fünf Bände, die zwischen 1550 und 1700 geschrieben waren und sinnvollerweise als Zauberbücher gelten konnten (auch wenn eines aus nur wenigen zerfledderten Seiten bestand). Zauberbücher sind selten, und weder Mr. Segundus noch Mr. Honeyfoot hatten jemals mehr als zwei oder drei in einer privaten Bibliothek gesehen. In Hurtfew waren alle Wände mit Bücherschränken bedeckt, und alle Bücherschränke waren mit Büchern gefüllt. Und die Bücher waren allesamt, oder fast allesamt, alte Bücher, Zauberbücher. Gewiss, viele hatten makellose moderne Einbände, aber es waren ganz eindeutig Bücher, die Mr. Norrell neu hatte binden lassen (er schien schlichtes Kalbsleder zu bevorzugen, die Titel geprägt in ordentlichen silbernen Großbuchstaben). Aber viele Einbände waren alt, alt, alt, mit abgegriffenen Rücken und Ecken.
Mr. Segundus warf einen Blick auf die Buchrücken in einem nahen Regal; der erste Titel, den er las, lautete: Wie man der Dunkelheit Fragen stellet und ihre Antworten verstehet .
»Ein albernes Werk«, sagte Mr. Norrell. Mr. Segundus erschrak – er hatte nicht bemerkt, dass ihr Gastgeber neben ihm stand. »Ich würde Ihnen raten, keine Sekunde daran zu verschwenden.«
Also blickte Mr. Segundus zum nächsten Buch, wobei es sich um Belasis' Instruktionen handelte.
»Sie kennen Belasis, nehme ich an?«, fragte Mr. Norrell. »Nur aufgrund seiner Reputation, Sir«, sagte Mr. Segundus. »Ich habe oft gehört, dass er den Schlüssel zu vielen Dingen kannte, aber ich habe auch gehört – ja, alle Autoritäten stimmen darin überein –, dass alle Exemplare der Instruktionen vor langer Zeit zerstört wurden. Und doch steht es hier! Nun, Sir, das ist höchst außergewöhnlich! Es ist wunderbar!«
»Sie erwarten sehr viel von Belasis«, sagte Mr. Norrell. »Und vor langer Zeit war ich ganz Ihrer Meinung. Ich erinnere mich, mehrere Monate lang acht von vierundzwanzig Stunden dem Studium seines Werks gewidmet zu haben. Eine Aufmerksamkeit, die ich keinem anderen Autor erwiesen habe. Aber letztlich ist er eine Enttäuschung. Er ist mystisch, wo er verständlich sein sollte – und verständlich, wo er obskur sein sollte. Es gibt Dinge, die nicht in einem Buch stehen sollten, wo alle Welt sie lesen kann. Ich persönlich habe keine sehr hohe Meinung mehr von Belasis.«
»Hier ist ein Buch, von dem ich noch nie gehört habe, Sir«, sagte Mr. Segundus. »Die Vortrefflichkeiten der Christlich-Judäischen Magie , Was können Sie mir darüber sagen?«
»Ha!«, rief Mr. Norrell. »Das stammt aus dem siebzehnten Jahrhundert, aber ich habe keine gute Meinung davon. Der Autor war ein Lügner, ein Trinker, ein Ehebrecher und ein Schurke. Ich bin froh, dass er so vollkommen in Vergessenheit geraten
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