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Jones, Susanna

Jones, Susanna

Titel: Jones, Susanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo die Erde bebt
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Spitzen meiner Schuhe im Wasser standen und ihr Spiegelbild das des Hotels überlagerte. Er sah nicht auf. Er beschrieb einen Bogen um die Pfütze, ohne die Kamera auch nur für einen Moment vom Auge zu nehmen. Dann fotografierte er das Bild, einschließlich meiner Füße. Ich blieb in dieser Stellung stehen, und er hob den Kopf und sah mich an. Er sah mir forschend ins Gesicht, als könnte er nicht ganz das finden, was er wollte. Er führte die Kamera wieder ans Auge und visierte mich durch den Sucher an, wie ein Kind, das durch eine leere Klopapierrolle späht, um die Welt einmal anders zu sehen. Und die Kamera klickte und blitzte. Das waren die ersten Bilder, die er von mir aufnahm. Ich habe sie nie zu sehen bekommen.
    Dieser Augenblick war so intim, dass ich wusste, es würde ihm zwangsläufig eine noch größere Intimität folgen. Schließlich hatte ich mich kokett in sein Foto eingeladen. Er hatte mich hereingelassen und mich mit einem einzigen Klick eingefangen. Meine Füße und mein Gesicht waren jetzt in seiner Kamera. Er hatte mich in sich aufgenommen, und der nächste Schritt war nahe liegend, wenn auch schamlos.
    Kann sein, dass wir redeten, aber falls ja, erinnere ich mich nicht daran. Ich erinnere mich nicht einmal, ab welchem Punkt mir klar war, wohin wir gingen. Ich glaube, wir liefen schweigend nebeneinanderher. Ein Zimmer im Keio Plaza hätten wir uns schwerlich leisten können - niemand kann das -, und so machten wir uns auf den Weg zu seiner Wohnung in Shin-Okubo. Es ist ein Spaziergang von zwanzig Minuten, aber eine Reise in eine völlig andere Welt. Wir ließen die Neontürme hinter uns und tauchten in das Tokio der Seitenstraßen ein. Alte Häuser schmiegten sich zwischen kleine mehrstöckige Gebäude. Winzige Läden und Bars säumten enge graue Straßen. Orangefarbene Laternen schmückten billige Esslokale. Straßenkatzen fauchten Hunde an, die von Balkons herunterbellten. Wir kamen an vielen Pfützen vorbei, aber er machte keine Fotos mehr, bis wir in seiner Wohnung waren.
    Ich kann das Klicken seines Schlüssels in der Tür hören. Dann nahm er bei Lampenlicht und offenen Vorhängen ein letztes Bild auf. Von meinem nackten Körper. Ich kniete auf dem Bett, lehnte mich zurück, wartete darauf, durch seine Berührung schön zu werden. Es störte mich nicht, durch die Kamera betrachtet zu werden. Sie war freundlicher als ein bloßes Auge. Eine Kamera kann nicht zwinkern oder feixen - zumindest nicht, während das Bild aufgenommen wird. Sie wartet mit ihrem Urteil, bis der Film entwickelt ist.
    Und dann schloss Teiji die Augen. Er öffnete sie erst viel, viel später wieder, und ich stelle mir gern vor, dass es so war, weil seine Augenlider das Bild meines Körpers unter sich bewahrten. Er betrachtete dieses unbewegte Bild, als ich seinen Eiskörper bestieg, ihn durchrüttelte, bis das Eis sich in Wasser verwandelte und sein Eiszapfenpenis in mir zerschmolz. Ich blieb in dieser Stellung noch lange, nachdem sich unsere Atmung wieder verlangsamt hatte, und wunderte mich darüber, wie leicht es geschehen war. Dann erhob ich mich von seiner schlanken Gestalt, innen ganz rot und wund und außen mit etwas, das einem Glücksempfinden ungewohnt nahe kam.
    Da er die Augen geschlossen hatte und es im Zimmer hell war, nahm ich die Gelegenheit wahr, mich umzusehen, um diesen Mann etwas näher kennen zu lernen. Das Zimmer sah aus wie ein großer Schrank. An den Wänden hingen seine Sachen: blaue und graue Pullover, weiche T-Shirts, alte Hosen und eine Jeans. Über der Gardinenstange hing ein Schlips, aber er war mit Staub bedeckt, und ich konnte auch kein Hemd sehen, zu dem er hätte getragen werden können. Bücherregale gab es keine, nur hohe Stapel von Büchern. Die Titel konnte ich nicht sehen. Zuoberst auf den Büchern lagen noch Stapel von CDs. In einer Ecke des Zimmers stand eine große Begonie, aus deren Laub eine darin verhedderte Taucherbrille hervorsah. Auf dem Fußboden lagen drei oder vier Kameras herum, dazu zwei Pappkartons voll mit Tüten aus dem Fotolabor. Aber Fotos waren nirgendwo aufgehängt. Die Wände waren weiß gestrichen, ein bisschen schmutzig. Abgesehen von den Kleidungsstücken waren sie völlig kahl. Die Vorhänge zuckten bläulich weiß in der Nachtbrise.
    Wir müssen geschlafen haben, aber ich erinnere mich nicht daran. Am nächsten Morgen nahm er mich mit in das kleine Nudelrestaurant, in dem er arbeitete. Später erfuhr ich, dass es seinem Onkel gehörte und er es eines Tages

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