Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
bin’s‹, hat er geweint, ich weiß es. Und Urlaub erbittet er? Einen Urlaub von siebzig Tagen? Das ist viel, um einen Vater zu begraben, und sei derselbe auch noch so ein großer Schelm gewesen. Müssen es gleich siebzig Tage sein? Er ist so schwer entbehrlich! Etwas leichter vielleicht, als zur Zeit der fetten und mageren Kühe, aber auch in diesen ausgeglicheneren Läuften wird es mir sehr schwer sein, ihn zu missen, der für mich das Reich der Schwärze betreut, denn Meine Majestät versteht davon wenig, – meine Sache war immer das obere Licht. Ach, man hat wenig Dank dafür, – viel erkenntlicher sind die Menschen dem, der die Schwärze besorgt, als dem, der ihnen das Licht verkündet. Denke nicht, daß ich Eifer trage deinem lieben Herrn! Er soll wie Pharao sein in den Ländern bis an sein Lebensende, denn über allen Dank hat er Meiner armen Majestät geholfen, soweit ihr eben zu helfen war.«
Er weinte wieder etwas und sagte dann:
»Selbstverständlich soll er seinen würdigen Vater, den alten Schelm, mit ausführlichen Ehren begraben und ihn ins Ausland bringen mit seinen Söhnen und Brüdern und mit seiner Brüder Söhnen, kurz, mit allem, was Mannssamen ist in seinem Hause, – es wird ja ein ganzer Zug. Wie ein Auszug wird es erscheinen und den Leuten so vorkommen, als zöge er aus Ägypten mit den Seinen, dorthin, woher er gekommen. Einen so irreführenden Eindruck muß man vermeiden. Er könnte zu Unruhen führen im Land und zu aufständischen Szenen, wenn das Volk vermeint, der Ernährer ziehe davon, – ich glaube, es würde das weit bitterer empfinden, als wenn Meine Majestät selbst auszöge und dies Land verließe, aus Herzenskummer über seine Undankbarkeit. Höre, Freund: Was wäre das aber auch für ein Zug, der nur aus Kindern und Kindeskindern bestände? Meiner Meinung nach bleibt hier garnichts übrig und ist diese Verbringung ein völlig ausreichender Anlaß dazu, einen Gewaltigen Zug zu veranstalten. Einer der gewaltigsten soll es sein, die je ins Ausland gingen, um dann ebenso feierlich von dort zurückzukehren. Was wäre ich auch, wenn ich dem Ernährer, meinem Alleinigen Freund, eine Bitte nur eben gewähren wollte, ohne daß die Gewährung die Bitte noch weit überböte? Sage ihm: ›Fünfundsiebzig Tage gibt dir Pharao, indem er dich mit Küssen bedeckt, daß du deinen Vater bestattest zu Asien, und nicht nur die Deinen und ihr Gesinde sollen mit dir und dem Leichnam ziehen, sondern Pharao wird einen ganz gewaltigen Zug verordnen, und die Crème Ägyptens soll deinen Vater zu Grabe bringen; anstellen will ich meinen ganzen Hof, läßt Echnatôn dir sagen, die Vornehmsten meiner Knechte und die Vornehmsten im ganzen Land, die Verwalter des Staates nebst ihrem Gesinde, dazu Wagen und Waffenvolk, eine sehr große Macht. Die sollen alle mit dir, mein Augapfel! der Bahre folgen, vor dir und hinter dir und dir zu beiden Seiten, und sollen dich so auch wieder zurückgeleiten zu mir, wenn du die teure Fracht abgesetzt hast an erwünschter Stelle.‹«
Der Gewaltige Zug
Dies war die Antwort, mit der Mai-Sachme von Achet-Atôn zu Joseph zurückkehrte, und ihr gemäß wurde alles verordnet und in die Wege geleitet. Einladungen, die Befehlen gleichkamen, ausgegeben von einem hohen Palastbeamten, der sich »Geheimrat des Morgengemachs und der geheimen Entscheidungen« nannte, ergingen durch Eilboten nach allen Seiten, und ein Tag wurde festgesetzt, an dem die berufenen Teilnehmer am Reisezuge aus allen Teilen des Reiches sich in der Wüste bei Menfe versammeln sollten. Es war eine beschwerliche Ehre, die Pharao’s Knechten, den Großen seines Hauses und den Großen des Landes Ägypten da zuteil wurde. Doch keiner war, der sich nicht gehütet hätte, sie auszuschlagen, ja, Würdenträger, die etwa waren nicht damit bedacht worden, hatten Bosheiten auszustehen von den Geladenen und erkrankten vor Kummer. Den Gewaltigen Zug zu ordnen, dessen Glieder und Teile im Wüstentale zusammenströmten, war keine geringe Aufgabe: sie fiel einem Truppenvorsteher zu, der sonst »Wagenlenker des Königs, hoch im Heere« hieß, bei dieser Gelegenheit aber und für die Dauer des Unternehmens, den Titel »Ordner des gewaltigen Leichenzuges des Osiris Jaakob ben Jizchak, des Vaters des Schattenspenders des Königs« erhielt. Dieser Feldoberst war es, der an Hand der Teilnehmerliste die Reihenfolge des Kondukts entwarf und am Sammlungsort das Gewühl der Wagen und Sänften, Reit- und Lasttiere zu klar
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