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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor
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Urteil – kam er als Patient in die geschlossene Abteilung des Landeskrankenhauses in dem kleinen westfälischen Nest Eickelborn, zwischen Soest und Lippstadt, wo er endlich offiziell, nach dem Buchstaben des Gesetzes, richtig behandelt werden durfte. Seine Briefe an mich dokumentieren, wie seine verzweifelten Wünsche nach Behandlung dort scheiterten, scheitern mußten.
    Ich habe leider nie ein Tagebuch geführt, aber viele Male habe ich Jürgen in Eickelborn besucht. Der Direktor des Krankenhauses, Dr.   Schneller, kannte mein Taschenbuch, hatte einepositive Meinung darüber und behandelte mich in der Frage der Besuche wie einen Familienangehörigen. Ich wohnte weiterhin in Berlin, aber jedesmal, wenn ich Gelegenheit hatte, mit dem Wagen in die Bundesrepublik zu fahren, versuchte ich es einzurichten, den Nachmittag und den Vormittag des nächsten Tages mit Jürgen zu verbringen und dazwischen in Soest oder Lippstadt zu übernachten. Das habe ich mehrmals gemacht. Es strengte mich unbeschreiblich an, schien aber für ihn besonders wichtig zu sein. Dadurch habe ich ihn natürlich viel gründlicher kennengelernt als zu dem Zeitpunkt, da ich das Taschenbuchmanuskript schrieb.
    Es gibt einen weiteren Grund, jetzt dieses große Buch über Jürgen Bartsch zu schreiben. Abgesehen von einem kurzen Artikel über den ersten Prozeß in
Time,
ist mein erster Bericht über diesen Fall – «Jürgen Bartsch   – Mörder ohne Grund?» – in der Zeitschrift
Der Monat
erschienen. Von Anfang an habe ich versucht, Jürgen Bartsch aus der Perspektive der Psychoanalyse einigermaßen verständlich zu machen, aber damals verfügte ich hauptsächlich über meine eigenen Erfahrungen als Analysand. Der erste Bericht im
Monat,
dann die im
ZEITmagazin
veröffentlichten Briefauszüge, dann das Taschenbuch brachten mich in immer engeren Kontakt mit psychologischen, psychiatrischen und psychoanalytischen Kapazitäten in Deutschland und im Ausland, die sich für diesen fast einmaligen Fall interessierten. So kam es, daß ich in Berlin vom Institut für Psychotherapie und, ein Jahr später, vom Berliner Psychoanalytischen Institut zur «informatorischen» Ausbildung angenommen wurde. Am ersten Institut studierte ich ein Jahr, am zweiten sechs, bis ich 1981   Europa, nach zweiunddreißig Jahren, verließ. «Informatorische Ausbildung» bedeutete Zugang zu allen theoretischen Seminaren, nicht aber zu den technischen oder klinischen. Schon bei meiner Antragstellung hatte ich freiwillig eine Art Eid unterschrieben, daß ich mich nie Psychoanalytiker nennen oder Patienten mit psychoanalytischen Methoden zu behandeln versuchen würde. Dank dieser theoretischen Ausbildung fühle ich mich heute wesentlichbesser qualifiziert, über Jürgen Bartsch zu schreiben, als ich es früher war.
    Während meiner Arbeit an dem vorliegenden Buch schrieb mir Hermann Gieselbusch, seit meiner 1974 erschienenen Euthanasie-Studie mein Freund und Lektor beim Rowohlt Verlag: «Bartsch ist ein Jahrhundertfall; Deine Korrespondenz mit ihm ist eine Singularität, die für alle Zeiten in einer unanfechtbaren Form auch für wissenschaftliche Zwecke aufbereitet werden muß. Ich denke nicht an die sehr strengen Kriterien der philologischen Textkritik. Aber gerade weil Jürgen Bartsch ein sehr origineller, auch schriftstellerisch begabter Mensch war, der eine manchmal eigentümliche, selbstgeschaffene Rechtschreibung kreiert hat, bin ich dafür, die Abweichungen von der durch den Duden geregelten Umgangssprache wohl bis in die Einzelheiten beizubehalten. Gerade für Interpretationen auf dem Boden der Psychoanalyse sind ja sogenannte ‹Fehlleistungen› oftmals von abgründiger Bedeutsamkeit und dürfen keinesfalls um der formalen Korrektheit willen verfälscht werden   …
    «…   ich möchte, daß Du wahrnimmst; wie hoch ich dieses kommende Bartsch-Buch in meiner Vorstellung rangieren lasse. Ich sehe darin ein klassisches Werk wie etwa die
Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken
von Schreber junior [worüber Sigmund Freud eine seiner bekanntesten Arbeiten schrieb]. Dein Bartsch-Buch wird eben auch in hundert Jahren noch ein Standardwerk sein. Unter diesem Aspekt können Autor und Verlag nur die allerstrengsten Maßstäbe an ihre gemeinsame Arbeit an diesem Buch legen.»
    Es gibt verhältnismäßig wenige Fehlleistungen in den Briefen und so gut wie keine von tieferer psychologischer Bedeutung; die letzteren habe ich hier selbstverständlich beibehalten. In meinen Computer

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