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Jugend

Jugend

Titel: Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Conrad
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schweigsam und ernst – und durstig. Oh! wie durstig! Und wir mußten sparsam mit dem Wasser umgehen. Knappe Rationen. Das Schiff rauchte, die Sonne sengte … Die Flasche, bitte.
    Wir versuchten alles. Wir machten sogar Anstrengungen, uns zum Brandherd vorzugraben. Natürlich ohne Erfolg. Niemand hielt es länger als eine Minute unten aus. Mahon, der als erster hinabstieg, wurde ohnmächtig, und dem Mann, der ihn heraufolen wollte, erging es ebenso. Wir schleppten sie an Deck hinauf. Dann sprang ich hinunter, um den andern zu zeigen, wie leicht das zu machen sei. Sie waren inzwischen weise geworden und beschränkten sich darauf, nach mir mit einem Kettenhaken zu angeln, der, soviel ich mich erinnere, an einen Besenstiel festgebunden war. Ich erbot mich nicht, noch einmal hinunterzusteigen, um meine Schaufel heraufzuholen, die unten liegengeblieben war.
    Es begann, übel auszusehen. Wir fierten das Großboot zu Wasser. Das zweite Boot wurde zum Ausschwingen klargemacht. Wir hatten auch noch ein anderes, ein vierzehn Fuß langes Dingi, auf Davits, achtern, wo es ziemlich sicher war.
    Dann, stellt euch vor, ließ der Rauch plötzlich nach. Wir verdoppelten unsere Anstrengungen, den Unterraum zu überfluten. In zwei Tagen war aller Rauch verschwunden. Jedermann trug ein breites Lächeln zur Schau. Dies war an einem Freitag. Am Samstag wurde keine Arbeit getan, außer der natürlich, die das Bedienen der Segel erforderte. Die Männer wuschen zum erstenmal seit vierzehn Tagen ihre Sachen und ihre Gesichter und erhielten ein besonders gutes Essen. Sie sprachen verächtlich von Selbstentzündung und gaben damit zu verstehen, sie müsse man rufen, wenn es gälte, solche Brände zu löschen. Irgendwie hatten wir alle das Gefühl, ein großes Vermögen geerbt zu haben. Doch ein ekelhafer Brandgeruch hafete dem Schiff an. Kapitän Beard hatte hohle Augen und eingesunkene Wangen. Ich hatte vorher nie so recht bemerkt, wie knorrig und gebeugt er war. Er und Mahon strichen behutsam um die Luken und Ventilatoren und schnupperten. Ich mußte plötzlich denken, der arme Mahon sei doch ein sehr, sehr alter Knabe. Was mich anlangte, so war ich befriedigt und stolz, als hätte ich mein Teil dazu beigetragen, eine große Seeschlacht zu gewinnen. O Jugend!
    Die Nacht war schön. Am Morgen passierte uns ein heimwärts laufendes Schiff, dessen Rumpf unter der Kimm blieb – das erste, das wir seit Monaten gesichtet hatten; doch wir näherten uns endlich dem Land: Java Head war ungefähr hundertneunzig Meilen entfernt und mußte bald im Norden aufauchen.
    Am nächsten Tag hatte ich von acht bis zwölf Uhr Wache an Deck. Beim Frühstück bemerkte der Kapitän: ›Merkwürdig, wie dieser Geruch hier bei der Kajüte hängenbleibt.‹ Gegen zehn stieg ich, da der Erste Offizier gerade auf der Poop war, für einen Augenblick auf das Oberdeck hinunter. Die Hobelbank stand achtern dem Großmast: ich lehnte mich, meine Pfeife rauchend, dagegen, und der Schiffszimmermann, ein junger Bursche, trat herzu, um sich mit mir zu unterhalten. Er meinte: ›Sieht so aus, als hätten wir ganze Arbeit geleistet, was?‹ und dann bemerkte ich zu meinem großen Verdruß, daß der Narr anscheinend versuchte, die Bank umzukippen. Ich sagte schroff: ›Lassen Sie das, Chips‹, und hatte unmittelbar darauf ein merkwürdiges Gefühl, eine alberne Wahnvorstellung – mir war nämlich, als schwebte ich durch die Luf. Rings um mich her hörte ich so etwas wie den Aushauch eines aufgestauten Atems – so als hätten tausend Riesen gleichzeitig Puuh! gesagt – und dann spürte ich einen dumpfen Aufprall, bei dem mir alle Rippen schmerzten. Kein Zweifel – ich schwebte durch die Luf, und mein Körper beschrieb eine kurze Parabel. So kurz sie indessen war, blieb doch Zeit genug für allerlei Gedanken, und zwar kamen sie mir – soviel ich mich entsinne – in dieser Reihenfolge: ›Das kann nicht der Schiffszimmermann sein – Was ist es also? – Eine Katastrophe – Vulkanausbruch unter Wasser? – Kohlen, Gas! – Himmel! wir werden in die Luf gesprengt – Alle sind tot – Ich falle in die Achterluke – Ich sehe Feuer darin.‹
    Der Kohlenstaub, der die Luf des Laderaums erfüllte, war im Augenblick der Explosion dunkelrot aufgeglüht. Im Handumdrehen, den winzigsten Bruchteil einer Sekunde nach der ersten Neigung der Hobelbank, lag ich längelang auf der Ladung. Ich rafe mich auf und kletterte hinaus. Das geschah so rasch, als wäre ich zurückgeschnellt.

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