Julia Aerzte zum Verlieben Band 61
Fahrstuhl.
„Verdacht auf Uterusruptur“, sagte er.
Sie nickte, hielt den Knopf gedrückt, als könnte das den Lift zur Eile antreiben. Dann wandte sie sich ab. „Die Treppe. Das geht schneller.“
„Sie wird verbluten, oder?“ Matt blieb dicht hinter ihr. „Das Baby hat kaum eine Chance.“
„Kommt darauf an.“ Megan nahm zwei Stufen auf einmal. „Innere Blutungen können nachlassen oder sogar aufhören, wenn der verfügbare Raum voll ist und der dadurch entstehende Druck die gerissenen Blutgefäße abklemmt. Gefährlich wird es erst, wenn man diesen Raum eröffnet und der Druck nachlässt.“ Sie stieß die Brandschutztür zum OP-Trakt auf. „Aber Sie haben recht. Es ist für Mutter und Kind äußerst kritisch.“
Im Hauptflur war es ruhig. Über OP-Saal drei leuchtete ein orangerotes Blinklicht. Doch Megan sah noch etwas und erstarrte, für Sekunden abgelenkt von ihrem Auftrag.
Am Ende des Flurs, vor den hohen Fenstern, marschierte eine hochgewachsene Gestalt rastlos auf und ab. Jetzt blieb sie stehen, blickte in Megans Richtung.
„Ziehen Sie sich OP-Kleidung an“, sagte sie zu Matt. „Und gehen Sie schon rein, überprüfen Sie, ob alles bereitsteht, was wir für eine Reanimation brauchen. Und checken Sie den Inkubator. Ich komme sofort.“
Die Gestalt kam auf sie zu, eine dunkle Silhouette vor dem schwindenden Tageslicht hinter den Fenstern. Aber Megan wusste genau, wer es war.
Josh O’Hara.
Oh … Gott …
Warum jetzt? Nachdem sie es doch geschafft hatte, ihm seit Monaten aus dem Weg zu gehen.
Seit jenem letzten, herzzerreißenden Kuss.
Sie hätte Josh auch jetzt meiden können. Hätte mit ihrem Oberarzt geradewegs die Umkleideräume und dann den OP betreten können.
Aber es konnte nur einen einzigen Grund geben, warum Josh in diesem Moment in diesem Flur auf und ab tigerte – und nicht am OP-Tisch stand bei einem Fall, der vor wenigen Minuten in seiner Notaufnahme eingeliefert worden war.
Sie merkte erst jetzt, dass sie unwillkürlich den Atem angehalten hatte. Noch nie hatte sie Josh so angespannt, ja verzweifelt erlebt. Nicht einmal, als er ihr sagte, dass er sie liebte, sie aber keine Zukunft hätten.
Oder doch … damals, in jener Nacht, die ihr Leben in einen Albtraum verwandelte. Es war zwar lange her, aber die Erinnerung an Joshs verstörtes Gesicht, wenn auch verblasst, war immer noch da.
Aller guten Dinge sind drei, sagte man. Aller schlechten auch? Sollte dies der dritte Wendepunkt in ihrer gemeinsamen Geschichte sein, die nie unter einem guten Stern gestanden hatte?
Dann war es auch der letzte. Es passte. In wenigen Tagen würde Megan am anderen Ende der Welt sein, dieser unheilvollen Beziehung entkommen. Sie hatte keinen anderen Ausweg gesehen, als Cornwall zu verlassen.
Leider nicht schnell genug. Sonst wäre ihr diese Begegnung erspart geblieben.
Megan holte Luft. „Es ist Rebecca, nicht wahr?“
Seine Frau. Auch wenn sie nicht mehr wie Mann und Frau zusammenlebten, so waren sie immer noch verheiratet.
Josh nickte knapp. Du meine Güte, er sah fürchterlich aus. Er war blass, unrasiert, das Haar zerzaust. Und der Ausdruck in seinen blauen Augen … Verzweiflung, Schuld, der Blick eines getriebenen Mannes.
„Die Babys …“ Die Worte klangen gequetscht, so als müsste er sich zwingen, sie auszusprechen. „Bitte, Megan … gib dein Bestes. Sie lassen mich nicht rein.“
Natürlich nicht. Er war persönlich betroffen. Seine Familie lag in OP drei, seine gesamte Familie. Als wäre es nicht schon schwer genug zu ertragen, dass Rebecca ihm Kinder schenken konnte. Jetzt musste Megan noch einen Schritt weitergehen und dabei sein, wenn sie zur Welt kamen.
Vielleicht hing es von ihr ab, ob Joshs Kinder am Leben blieben.
Hätte sie auch nur einen Moment Zeit gehabt, über diese Ironie des Schicksals nachzudenken, sie wäre durchgedreht. Zum Glück hatte sie diesen Moment nicht.
Trotzdem zögerte sie eine Sekunde, streckte dann spontan die Hand aus und berührte Josh am Arm. Megan wollte noch etwas Beruhigendes sagen, aber ihr fehlten die Worte. Also nickte sie nur knapp und wandte sich ab.
Selbstverständlich würde sie alles tun, um seine Familie zu retten. Wie für jeden ihrer Patienten.
Außerdem hatte Josh damals, vor so vielen Jahren, ihr das Leben gerettet.
Ihre sanfte Berührung brachte ihn fast um seine Fassung.
Josh bekam kaum noch Luft, beinahe hätte er losgeschluchzt. Doch dann riss er sich zusammen und marschierte wieder ans Ende des Flurs, wo
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